Todeskind: Thriller (German Edition)
Mädchen.
Die Lüge war ein Risiko gewesen. Hätte Ford Erkundigungen über Kimberly eingeholt, wäre die Verbindung zu Fords Mutter herausgekommen, und da sie bereits gelogen hatte, hätte er ihr kein Wort mehr geglaubt.
Aber Mitch besaß eine gute Menschenkenntnis und konnte recht zuverlässig voraussagen, wie andere reagieren würden. Ford hatte keine Erkundigungen eingezogen, weil er dem Mädchen glauben wollte. Kims Geschichten hatten in dem Jungen den edlen Ritter geweckt und bewirkt, dass er sie nirgends mehr allein hingehen lassen wollte. Schon gar nicht in finstere, enge Nebenstraßen.
Mitch schaltete auf die Kamera im Haus und grinste. Beckett lag am Boden – gefesselt, geknebelt und am Leben. Und nackt, wie Gott ihn erschaffen hatte.
Mitch lachte leise. Nicht schlecht, Ford. Dem alten Knacker die Thermounterwäsche zu klauen bedurfte Chuzpe … und ein dickes Fell, denn der Alte roch, als hätte er seit Jahren nicht mehr geduscht.
Jetzt kann ich mich hinlegen. Aber nicht zu lange. Wenn Ford nicht bis Einbruch der Nacht gefunden wurde, dann würde Mitch hinausfahren und ihm helfen müssen. Der Junge durfte doch nicht sterben, bevor er seiner Mama die entscheidende Botschaft überbracht hatte.
Da bin ich wieder. Hast du mich vermisst?
Dienstag, 3. Dezember, 11.47 Uhr
Cole drückte sich gegen die Hauswand und hielt den Atem an. Aber er hätte sich keine Sorgen zu machen brauchen. Matt sah sich nicht um, als er zu seinem Mercedes ging.
Der fährt einen verdammten Mercedes! Das war nicht fair. Matt kriegte das Geld, und Mitch und er mussten für alles sparen. Cole war nicht blöd. Er wusste, dass Mitch Drogendealer war. Und Matt ebenfalls, nur einer in Anzug und Krawatte.
Cole wusste außerdem, dass Mitch nach dem verbockten Job im Pillenparadies Miami auf der Flucht war. Mitch hatte ihn gezwungen, in einer Nacht-und-Nebel-Aktion allem und jedem den Rücken zuzukehren. Er hatte sich noch nicht einmal bei seinen Freunden verabschieden können, und das nahm er Mitch verdammt übel.
Warum müssen wir auch immer so einen illegalen Scheiß machen? Aber so war Mitch nun einmal, und Cole ertappte sich immer öfter dabei, sich zu wünschen, sein Bruder würde sich ein wenig geschickter anstellen. Dann müssten sie wenigstens nicht dauernd abhauen.
Sie könnten auch endlich irgendwo wohnen bleiben. Ein anständiges Haus haben. Ein anständiges Leben. Wie Matt zum Beispiel. Aber weil Mitch als Krimineller eine Null war, mussten sie sich hier in dieser Bruchbude verstecken, die Mitch sein »Zuhause« nannte. Cole nannte sie »Höllenloch«.
Mitch liebte dieses Höllenloch. Cole hatte keine Ahnung, wieso.
Ich hasse es. Ich habe es schon immer gehasst. Auch als er mit seiner Tante hier gelebt hatte. Seine uralte Tante. Tante Betty hatte sich wirklich alle Mühe gegeben, sich um ihn zu kümmern, dabei hatte sie sich nicht einmal mehr richtig um sich selbst kümmern können. Ich hab alles allein gemacht. Dabei war er noch ein kleines Kind gewesen. Gerade mal acht, als Mitch in den Knast hatte gehen müssen. Und daran war nur Matts Vater schuld gewesen.
Der behauptet, dass ich nicht sein Sohn bin. Eigentlich hätte es ihm nichts ausmachen dürfen. Aber das tat es. Das tat es, weil Matt alles hatte! Und ich muss hier in dieser Bruchbude leben und so tun, als ob. Mitch wollte, dass alles ganz normal aussah, dass alle glaubten, er würde tatsächlich als Heizungsinstallateur arbeiten, wie auf dem schwarzen Transporter stand, den er fuhr. Er will, dass ich in die Schule gehe und Freunde habe.
Na klar. Ich lad auch meine Kumpels in die Villa Höllenloch ein, wo mein Bruder eine Viertelmillion in Plastikwannen aufbewahrt und einen Haufen Knarren in einem ach so geheimen Kellerraum versteckt.
Mitch glaubte ernsthaft, dass er keine Ahnung hatte. Mitch hielt ihn für dumm. Manchmal ließ Cole die Leute das denken, weil sie dann nicht viel von ihm erwarteten.
Manchmal klappte es. Manchmal nicht. Seit kurzem spielte es keine Rolle mehr. Vergangenes Jahr hatten ein paar Kerle aus der Schule ihn rumgeschubst, sein Essen geklaut, ihn bei jeder Gelegenheit schikaniert. Im Sommer war er gewachsen und hatte gedacht, dass es danach besser werden würde. War es auch tatsächlich, zumindest eine Zeitlang. Bis das größte Arschloch der Clique rausgefunden hatte, dass Mitch im Knast gesessen hatte.
Da war es wieder losgegangen. Und jetzt war es schlimmer denn je. Mitch als Schwuchtel zu bezeichnen war heftig genug. Aber zu
Weitere Kostenlose Bücher