Todeskleid: Thriller (German Edition)
sein«, antwortete er. »Was hat Silas gesagt, bevor er gestorben ist?«
»Nichts.«
»Gut zu wissen.« Sehr gut. Dann galt seine Hauptsorge dem Staatsanwalt und seiner Detektivin. Die beiden wollten einfach nicht aufhören, Dinge auszugraben, die besser verdeckt blieben.
»Aber jemand hat sein Kind entführt. Waren Sie das?«
Er blickte auf Violet hinab. »Geht dich nichts an. Ich habe einen Auftrag für dich.«
Ein Zögern. »Ich habe getan, was Sie wollten.«
»Und du wirst es weiterhin tun. So funktioniert es eben. Silas hatte seine Violet, du hast Christopher. Er ist jetzt – wie alt? Zwölf? Geht er immer noch auf Krücken? Wirklich schlimm, so ein Unfall mit Fahrerflucht«, setzte er spöttisch hinzu. »Hat man den Fahrer je erwischt?«
Das Schlucken war hörbar. Hilfloser Zorn schwang in der Stimme mit. »Was wollen Sie?«
»Schön, dass wir einander verstehen. Menschen mit Familie sind schrecklich berechenbar, wie ich festgestellt habe. Grayson hat eine Mutter. Ruf mich an, wenn du sie im Blickfeld hast.«
Donnerstag, 7. April, 19.45 Uhr
»Eins«, sagte Paige tonlos. »Eins lebt noch. Von sechzehn blondgelockten Mädchen in sechzehn Jahren lebt nur noch eins.« Sie parkten vor Thornes Club und blieben einen Moment lang fassungslos sitzen. »Und wer? Wer ist noch am Leben?«, fragte Grayson.
»Sie heißt Adele Shaffer, Mädchenname Masterson. Sie hat vor sechs Jahren Darren Shaffer geheiratet und mit ihm eine Tochter, Allison. Darren hat für eine Firma in Übersee gearbeitet, aber vergangenes Jahr sind sie wieder in die Staaten gezogen. Adele ist die Einzige, die von den Blondgelockten noch übrig ist. Bei den anderen Mädchen habe ich Stichproben gemacht – sie sind alle noch am Leben, egal, ob rot-, braun- oder schwarzhaarig.«
»Holen wir uns Thornes Liste der Kanzleiangestellten und machen uns anschließend auf die Suche nach ihr. Wir können sie warnen und hoffentlich endlich in Erfahrung bringen, was geschehen ist, als sie zwölf war.«
Der Club war dunkel, die Musik laut und der Türsteher ein Koloss von einem Kerl. Auf dem Namensschild stand Ming. Er ließ sie ein, ohne Paiges Karateanzug oder dem Hund einen zweiten Blick zu gönnen.
»Sie werden erwartet«, sagte Ming. »Thornes Büro ist die erste Tür rechts.«
Die Tür öffnete sich, und Paige musste den Kopf in den Nacken legen, um aufzusehen. Thomas Thorne war riesig, an die zwei Meter. Er roch förmlich nach Testosteron, und es war ein Wunder, dass nicht mindestens zehn Frauen an seinem Jackenzipfel hingen.
Nur eine Frau war bei ihm, und die sah nicht so aus, als würde sie sich irgendwem an den Jackenzipfel hängen. Sie tippte auf einer Computertastatur und starrte mit zusammengezogenen Brauen auf den Monitor.
»Ich bin Thomas Thorne«, stellte sich der Riese vor und schüttelte Paige die Hand. »Und das ist meine Geschäftspartnerin, Gwyn Weaver. Gwyn, das sind Staatsanwalt Grayson Smith und die Privatermittlerin Paige Holden.«
Gwyn war eine winzige Brünette, die ohne die finstere Miene wohl sehr schön gewesen wäre. »Freut mich. Noch mehr würde es mich aber freuen, wenn Sie mir sagen könnten, was mit meiner Kalkulation nicht stimmt.«
»Geh spazieren«, sagte Thorne. »Du findest den Fehler immer, wenn du dir ein bisschen die Beine vertreten hast.«
Gwyn verdrehte die Augen, lächelte aber nicht. »Was Thornes charmante Art ist, mir mitzuteilen, dass ich mich vom Acker machen soll.« Sie verließ das Büro, und Paige fragte sich unwillkürlich, ob diese Frau überhaupt freundlich gucken konnte.
Thorne schloss die Tür hinter ihr. »Verzeihen Sie. Gwyn ist seit einer Weile nicht mehr sie selbst.« Er deutete auf einen kleinen Tisch in einer Ecke. »Setzen wir uns.«
»Sie haben also die Personaldaten aus der Kanzlei, in der Bond früher angestellt war?«, fragte Grayson.
»Wie ich schon sagte.« Thorne betrachtete Grayson mit leichtem Misstrauen. »Allerdings muss ich zugeben, dass ich erstaunt war, als Stevie auf mich zukam.«
»Und weshalb?«, fragte Grayson. Die beiden Männer, die im Gericht normalerweise auf gegenüberliegenden Seiten des Tisches saßen, musterten einander abschätzend. Paige hätte sie am liebsten gedrängt, sich zu beeilen, doch sie begriff, dass es Grayson nicht leichtfiel, einem Verteidiger zu trauen, daher schwieg sie.
»Ich war nicht erstaunt über den Verdacht von rechtswidrigen Prozessabsprachen im Staatsanwaltsbüro«, sagte Thorne. »Ich habe mich schon ein paarmal
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