Todeskleid: Thriller (German Edition)

irgendwo sind. Er könnte sie anderswo versteckt halten.«
    »Ich entwickle langsam Verständnis für die ›Angeklagter ist durchgedreht‹-Strategie der Verteidigung«, murmelte Grayson. Wir sollten unbedingt auf Verstärkung warten. Aber in zehn Minuten konnte viel passieren. Er könnte ihnen etwas antun. Und dann setzte Graysons Herz einen Schlag aus, und seine Entscheidung stand fest.
    »Da ist Holly.« Sie tauchte am Rand der Bäume auf und taumelte ins Licht seiner Scheinwerfer. Ihre Hände waren hinter ihrem Rücken zusammengebunden, ihre Augen riesig vor Angst. Tränen strömten ihr über das Gesicht. »Ein Mann ist hinter ihr. Aber ich kann ihn nicht erkennen, das Schwein.«
    »Mach die Scheinwerfer aus. Du blendest sie wahrscheinlich«, sagte Paige.
    Er schaltete das Licht aus, die Innenbeleuchtung ebenfalls. »Ich locke ihn her und du überwältigst ihn?«
    »Ja, schließlich hat er dich schon gesehen. Wenn du auf ihn zugehst, beweg dich seitlich. Deine Schultern sind breit wie ein Scheunentor.«
    »Ich habe die Kevlarweste drunter«, sagte er, mehr um sich selbst zu beruhigen.
    »Aber die bietet dir nur einen begrenzten Schutz. Wenn er dir zu nah kommt, bist du trotzdem erledigt. Peabody und ich gehen im Bogen um ihn herum. Greifen von hinten an wie bei Silas. Okay?«
    Den Hund hatte er beinahe vergessen. »Okay. Stirb nicht.«
    Ihre Miene war grimmig. »Du auch nicht.«
    Grayson stieg aus dem Escalade und drehte sich leicht zur Seite. Er hörte, wie Paige ihre Tür im selben Moment öffnete, wie er seine schloss. Gutes Timing. Lass es so weitergehen. Bitte.
    »Lassen Sie sie laufen!«, rief Grayson in die Dunkelheit. Er konnte Holly nicht mehr sehen. Man hatte sie wieder in die Baumreihe zurückgeholt. »Sie wollen nicht sie, sondern mich.«
    »Sie sind also bereit zu verhandeln?«, rief eine Männerstimme. Der Mann, der am Telefon gewesen war. Der meine Mutter geschlagen hat.
    Grayson konnte sich nicht erinnern, wie Stuart Lippman geklungen hatte, aber im Moment spielte das auch keine Rolle. »Ja, ich will verhandeln. Meine Schwester und meine Mutter im Austausch gegen mich.«
    »Ich will die Frau auch. Holden.«
    »Sie hat sich vorhin verletzt«, improvisierte Grayson. »Ich musste sie in die Notaufnahme bringen. Silas hat ihr eine Gehirnerschütterung verpasst, bevor sie ihn erschossen hat. Sie wollten sie die Nacht dabehalten.«
    »Sie lügen.«
    »Sie können ja im Krankenhaus anrufen und nachfragen. Im Augenblick gibt es nur mich.« Er ging langsam auf die Bäume zu und zwang den Mann, wer immer es war, auf ihn zu achten und nicht auf Paige und Peabody, die durch die Dunkelheit schlichen. Mit ihrer schwarzen Kleidung verschmolz sie hervorragend mit dem Waldrand. Er jedenfalls konnte sie nicht mehr sehen. »Holly. Alles wird wieder gut.«
    »Machen Sie keine Versprechungen, die Sie nicht halten können, Smith. Ich will auch Holden.«
    Grayson konnte Hollys spitzen Angstschrei hören. Allein dafür bringe ich dich um.
    »Wenn Sie Holden wollen, müssen Sie ins Krankenhaus fahren und sie holen«, sagte Grayson mit harscher Stimme. »Sie weiß sowieso nichts. Sie ist Auszubildende in einer Detektei. Kämpft gut und ist großartig im Bett, hat aber nicht allzu viel im Oberstübchen, wenn Sie wissen, was ich meine.«
    »Sie hatte genug im Oberstübchen, um Adele Shaffer aufzuspüren.«
    »Wen?«
    »Sparen Sie sich die Spielchen, Staatsanwalt. Ihr Bild ist überall in den Nachrichten. Sie wird als potenzielle Zeugin gesucht.«
    »Davon weiß ich nichts. Ich versuche, Crystal Jones’ Mörder zu finden, damit ich Ramon Muñoz aus dem Gefängnis holen kann.« Grayson wartete auf eine Erwiderung. Als nichts kam, bewegte er sich weiter auf die Baumreihe zu. Unter seiner Jacke tastete er nach Josephs Pistole, die in seinem Hosenbund steckte.
    Und dann sah er sie, Holly und Lippman. Lippman hatte sie dicht an seinen Körper gezogen und hielt ihr die Pistole an den Kopf. Kalte Wut packte ihn. Das Blitzen von Metall sah er einen Sekundenbruchteil zu spät. Er hörte den Schuss, dann prallte mit enormer Wucht die Kugel gegen seine Brust und presste ihm die Luft aus den Lungen. Der Schmerz war um ein Vielfaches schlimmer als die brennenden Metallteile, die am Mittwoch auf ihn herabgeregnet waren.
    Er taumelte rückwärts, ging zu Boden und hörte Hollys entsetzten Schrei.
    »Grayson!« Sie riss sich los, stolperte jedoch, als Lippman sie wieder zurückzerrte.
    Lippmans Pistole zeigte noch immer auf Grayson, und