Todeskleid: Thriller (German Edition)
Blick zu ihr zurück. »Als ich dich heute Morgen sah, war es … ich weiß nicht. Irgendwas in mir machte klick. Als hätte ich dich schon immer gekannt. Vielleicht habe ich mir auch nur gewünscht, es wäre so. Meine Assistentin hat eine Akte über dich angelegt. Ziemlich dickes Ding.«
»Wirklich? Und wo ist die?«
»In meiner Sporttasche. Sie hat sie mir gegeben, als ich von der Notaufnahme zurück ins Büro gefahren bin.«
»Oh.« Das tat weh. »Also wusstest du schon alles über den letzten Sommer, noch bevor ich es Stevie erzählt habe.«
»Ich habe die Akte nicht gelesen. Ich wollte selbst mehr über dich herausfinden. Und das ist mir allerdings gelungen. Als du eben geschlafen hast, habe ich nach Futter für Peabody gesucht. Ich dachte, du würdest es vielleicht in dem anderen Zimmer lagern.«
Sie wollte die Stirn runzeln, tat es jedoch nicht. »Nein, tu ich nicht.«
»Ist mir auch aufgefallen. Aber da drin müssen mindestens hundert Pokale stehen.«
»Hundertfünfunddreißig. Ich habe früher an nationalen Turnieren teilgenommen, manchmal auch an internationalen. Waffen und katas. Ab und an Kämpfe.«
»Und jetzt stehen all die Trophäen da rum und sammeln Staub an.«
»Die sind aus einem anderen Leben«, murmelte sie. »Auf zu neuen Ufern.«
Er sah sie einen Moment lang stumm an. »Warum?«
»Darum«, gab sie ungeduldig zurück. »Ich hatte keine Lust mehr, Super-Karate-Woman zu sein.«
»Wegen vergangenem Sommer.«
»Ja«, sagte sie ruhig. »Was, wie ich vermute, in der Akte steht, die deine Assistentin zusammengestellt hat. Wenn nicht, solltest du deine Assistentin feuern und eine neue einstellen.«
»Ich hatte mit ihrer Einstellung nichts zu tun. Zum Glück.«
Sie blinzelte. »Ach?«
»Hätte ich damals entscheiden müssen, hätte ich ihr nicht einmal eine Chance gegeben. Sie ist schrill, dreist, vorlaut …« Er zuckte die Achseln. »… und verdammt gut. Hätte ich auf mich selbst gehört, hätte ich etwas verpasst.«
Sie kniff die Augen zusammen. »Hört, hört. Spricht da etwa der Hobbypsychologe?«
Er grinste entwaffnend. »Meine Schwester Zoe ist Psychologin, ich kenne mich also wirklich ein bisschen in der Materie aus.«
»Wie viele Schwestern hast du eigentlich?«
»Drei. Lisa, Zoe und Holly. Und Joseph, unseren Bruder.«
»Alles Carters? Kein weiterer Smith?«
Sein Grinsen verblasste. »Nein, alles Carters. Meine Mutter und ich heißen Smith.«
»Und wie kommt ihr alle zusammen?«
»Als ich noch ein Kind war, zogen meine Mutter und ich bei den Carters ein.« Er wählte seine Worte mit Bedacht. »Mom und ich waren praktisch obdachlos, als Mrs. Carter meine Mutter einstellte. Wir verstanden uns sehr gut und wuchsen sozusagen zusammen. Die Carters sind wunderbare Menschen.«
»Das hört sich ganz so an. Warum wart ihr obdachlos?«
»Mein Vater hatte uns verlassen.«
Sie konnte spüren, dass eine größere Geschichte dahintersteckte, und sie hätte sie gerne gehört, aber seine Miene hatte sich verhärtet, also beschloss sie, später noch einmal nach seinem Dad zu fragen. »Und als was hat Mrs. Carter deine Mutter eingestellt?«
»Als Kindermädchen. Holly war mit Gesundheitsproblemen auf die Welt gekommen. Mrs. Carter brauchte Hilfe mit den anderen Kindern und bot uns eine kleine Wohnung über der Garage an. Meine Mutter wäre dumm gewesen, nicht einzuwilligen.« Er zögerte. »Apropos. Sie will dich kennenlernen. Meine Mutter, meine ich.«
Paige biss sich auf die Lippe. Das schlechte Gewissen nagte an ihr. »Grayson, was das angeht … Ich muss dir etwas sagen.« Ein lauter Rums aus der Wohnung über ihrer ließ die Wände erbeben. Die Teetasse klapperte auf dem Nachttisch, ein Bild fiel von der Wand.
Peabody sprang aus seinem Hundekorb und knurrte.
»Was war denn das?«, fragte Grayson mit Blick zur Decke.
»Peabody, aus.« Paige sah ebenfalls zur Zimmerdecke. »Die Spinner von oben.« Wieder ein Rumsen, und sie warf die Decke zur Seite, sprang aus dem Bett und riss die Schranktür auf.
»Herr im Himmel, Paige«, zischte Grayson. »Was zum Teufel soll das?«
Er deutete auf ein Gewehr, das innen an einer der Schrankwände lehnte. Sie verdrehte die Augen. »Ach du liebe Zeit, ich werde doch nicht auf sie schießen!« Sie griff nach einem langen Stiel.
»Okay«, sagte er ruhiger. »Ich wiederhole: Was zum Teufel hat das zu bedeuten?«
Sie schwenkte einen Wischmopp, an dem sie ein dickes Buch befestigt hatte, sprang aufs Bett und rammte das Buch am Stiel
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