Todeskleid: Thriller (German Edition)
Er drosselte das Tempo, als er am Haus vorbeifuhr …
Und sie war wieder da. Zurück. Sie war zwölf Jahre alt, und es tat weh. Es tut so weh!
Wenn du es jemandem sagst, bringe ich dich um. Es wird dir sowieso niemand glauben. Dann war der Wagen langsamer geworden, und man hatte sie hinausgestoßen. In den Dreck. Sie hatte sich zusammengerollt und geweint. Nur geweint. Aber niemand war gekommen. Niemand hatte ihr geholfen. Niemand hatte ihr geglaubt.
»Adele?« Darrens Hände strichen ihre Arme hinauf zu ihren Schultern und drückten sie. »Was ist denn los?«
Adele sah hinaus auf die Straße. Wie ausgestorben. War da wirklich ein Wagen gewesen? Sie verbarg ihr Gesicht an seiner Brust. »Verlass mich nicht.«
»Natürlich nicht.« Darren zog sie an sich und wiegte sie leicht. »Ich verlasse dich nicht.«
Dienstag, 5. April, 23.30 Uhr
Silas rollte die Schultern, als er sich wieder aufrichtete und zum dunklen, dahinströmenden Fluss hinuntersah. Er lauschte und nickte zufrieden, als er das leichte Platschen hörte. Gut. Das war erledigt.
Durch all den Regen war der Patuxent River angeschwollen, die Strömung reißender geworden. Mit etwas Glück würde Roscoe James gegen Morgen in der Chesapeake Bay sein. Keinesfalls jedoch würde er ans Flussufer gespült werden. Dazu hatte Silas den Toten zu stark beschwert.
Erschöpft stieg er in seinen Van. Er würde den kompletten Innenraum schrubben müssen. Roscoe hatte sich auf dem Rücksitz übergeben. Silas hatte das meiste gereinigt, aber die Forensik heutzutage war zu gut. Schon das kleinste bisschen Kotze würde ihn mit dem Toten in Verbindung bringen.
Silas zog die künstlichen Augenbrauen und den Schnurrbart ab, die er sich angeklebt hatte, bevor er in die Bar gegangen war. Als Nächstes nahm er die Wangenpolster heraus. Selbst wenn er von der Überwachungskamera der Bar erfasst worden war, würde man ihn nicht erkennen können. Er tastete nach seinem Geschäftshandy, um seinen Auftraggeber anzurufen, und war erleichtert, als er bei der Mailbox landete. Er hatte keine Lust, sich schon wieder mit dem Mistkerl auseinanderzusetzen. »Erledigt«, sagte er und unterbrach die Verbindung.
Jetzt nahm er sein Familienhandy zur Hand. Die Liste der Anrufe in Abwesenheit ließ seinen Puls beschleunigen. Seine Frau hatte fünfmal versucht, ihn zu erreichen. Als er die Nummer wählte, nahm sie sofort ab.
»Wo warst du?«, schrie sie. »Seit zwei Stunden versuche ich, dich anzurufen.«
»Tut mir leid«, sagte er. »Was ist los? Ist was mit Violet?«
»Ja. Als ich vorhin nach ihr gesehen habe, war das Fenster auf. Ich weiß genau, dass ich es zugemacht hatte. Ich hatte auch die Alarmanlage eingeschaltet, aber das Telefon geht nicht. Ich glaube, das Kabel ist durchgeschnitten.«
Silas’ Blut gefror zu Eis. »Ist alles in Ordnung mit ihr?«
»Ja, sie schläft. Auf ihrem Nachttisch lag zusammengefaltetes Burger-Papier. Von Bertie’s Burgers.«
Silas klappte den Mund auf, um zu atmen, aber er bekam keine Luft. Er war da gewesen. Am Drive-Thru, wo er heute gehalten hatte. Er hat es gesehen. Er weiß, dass ich wieder versagt habe. O Gott.
»Okay«, brachte er mühsam hervor. »Hast du die Polizei gerufen?«
»Noch nicht. Ich wollte erst mit dir reden.«
»Hol dir eine Pistole aus dem Safe. Ich bin gleich zu Hause.« Silas legte auf, regte sich aber nicht.
Dieser Mistkerl. Die Drohung hatte immer im Raum gestanden. Aber sich an meinem Kind zu vergreifen! Jetzt war er zu weit gegangen. Denn Violet war sein Kind. Das war sie gewesen, seit die Krankenschwester sie ihm in die Arme gelegt hatte. Runzelig und rot und aus vollem Hals brüllend.
Tränen waren über sein Gesicht geströmt, als er sie im Arm gehalten und auf sein kleines Mädchen gestarrt hatte, das blutüberströmt und mit offenen Augen auf dem Krankenhausbett gelegen und nichts mehr gesehen hatte.
»Es tut mir leid«, hatte der Arzt traurig gesagt. »Wir haben getan, was wir konnten.« Dann hatte er die Augen seiner Tochter zugedrückt und den Todeszeitpunkt vermerkt.
Genau eine Minute nach dem ersten Atemzug seiner Enkelin.
Ich schicke dich in die Hölle, bevor du ihr auch nur ein Haar krümmst.
Und er wusste, wie er es tun musste. Aber mit einer simplen Kugel in den Kopf war die Sache nicht erledigt. Wäre es so leicht, hätte er es schon vor Jahren getan. Sein Auftraggeber schrieb sorgsam Bericht und hatte nie einen Zweifel daran gelassen, dass seine »Mitarbeiter« in die Öffentlichkeit gezerrt
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