Todeskleid: Thriller (German Edition)
auseinandergenommen.
Der Wagen war auf eine andere Person zugelassen – seine zweite Identität, an der er seit Jahren feilte. Das war sein Notfallplan, sein Plan B, sein letzter Ausweg, und er hatte alles bis ins kleinste Detail ausgearbeitet – die passenden Worte, um es seiner Frau zu erklären, inklusive. Sie saß auf dem Beifahrersitz und schwieg, weil er sie darum gebeten hatte. Aber bald würde er es ihr sagen müssen.
Violet schlief auf dem Rücksitz und umklammerte ihre zerlumpte Puppe, ohne die sie nicht einschlafen konnte. Mehr hatte sie nicht mitnehmen dürfen, doch was die Puppe betraf, war seine Frau unerbittlich gewesen.
Ihr Haus war unverändert geblieben. Niemand würde auf den Gedanken kommen, dass sie untergetaucht waren.
Was für eine Ironie, dass Delgados Frau mit dem Kind dasselbe getan hatte! Wenn es wirklich so etwas wie Karma gab, dann würde Silas enden wie Jorge.
Aber meine Tochter wird weiterleben. Und das wünschte er Jorges Tochter auch. Doch das war nun Mrs. Delgados Sorge. Er hatte seine eigenen Probleme.
Heute Nacht hatte er die Kontrolle verloren. War in Panik geraten. Er hatte schon Dutzende von Menschen umgebracht. Wie hatte es nur dazu kommen können?
Das mit Logan Booker war so schnell gegangen. Er hatte dem Jungen die Pistole an den Kopf gehalten, um ihm Angst zu machen. Nur um ihm Angst zu machen! Aber der Bursche hatte die ganze Zeit beteuert, er habe den Computer nicht zu Hause, hatte immer weiter gelogen. Dann war die Mutter ins Zimmer getorkelt und hatte volltrunken mit der Pistole gewedelt.
Er hatte aus purem Reflex geschossen. Ich hätte den Jungen dalassen und sofort abhauen müssen. Nur wenige Sekunden früher, und er wäre nicht auf Grayson Smith getroffen.
Es war gar nicht gut gewesen, ihm zu begegnen. Der Anwalt war bewaffnet gewesen, und Silas wusste, dass er schießen konnte. Sie waren schon zusammen im Schießstand gewesen. Ich hätte ihn töten müssen.
Smith hatte ihn nicht erkannt, aber Silas machte sich nichts vor. Es war nur eine Frage der Zeit, bis die Cops, mit denen er gedient hatte, an seine Tür klopften. Silas musste seine Frau und sein Kind verstecken, bevor das geschah. Säße er erst mal im Gefängnis, könnte er sie nicht mehr beschützen.
»Ich habe ihr Benadryl gegeben, wie du gesagt hast. Sie wird erst nach Stunden aufwachen«, flüsterte seine Frau.
»Sie muss mindestens acht Stunden schlafen. Gib ihr die nächste Dosis, sollte sie früher wach werden.«
»Warum acht Stunden?«, fragte sie ängstlich.
»Sieben Stunden bis Buffalo. Ich will, dass sie schläft, bis wir die Brücke überquert haben und in Kanada sind.«
» Kanada? Warum stehlen wir uns wie Diebe bei Nacht und Nebel davon?«
»Weil ich ein Dieb bin. Unter anderem.« Aber was noch, sollte sie nicht erfahren müssen.
»Und was machen wir, wenn wir erst einmal in Kanada sind?«
»Ich habe dort ein bisschen Geld zur Seite geschafft.« Eine Art Schlupfwinkel geschaffen. »Ihr müsst dort bleiben.«
»Und du?«
Silas würde nach Baltimore zurückkehren. Vor der Polizei konnte er sich verstecken, aber sein Auftraggeber würde ihn überall aufspüren. Den Mann zu töten, dem er seine Seele verkauft hatte, war die einzige Chance, seine Familie zu beschützen. »Ich muss mich noch um ein paar Dinge kümmern. Dann komme ich zu euch und bleibe.«
»Was ist mit dem Haus? Mit unseren Freunden? Mit Violets Schule? Silas, was hast du getan?«
»Was ich tun musste.«
Sie unterdrückte ein Schluchzen. »Das hat was mit Cherri zu tun, richtig?«
Er hatte immer gewusst, dass er eine kluge Frau geheiratet hatte. »Ja.«
»Ich habe Angst, Silas.«
Wahrlich eine sehr kluge Frau. »Ich auch.«
Mittwoch, 6. April, 4.45 Uhr
Grayson schloss die Tür, als Stevie gegangen war, und schob die drei Riegel wieder vor. Er hätte sich gewünscht, den ganzen Tag ungeschehen zu machen. Aber andererseits hätte er dann Paige nicht kennengelernt, und irgendwie war er nicht selbstlos genug, sich das zu wünschen.
Sie saß noch immer in ihrem Sessel, streichelte den Hund und sah erschöpft aus. Grayson zog sie auf die Füße und in seine Arme. Sie legte ihren Kopf an seine Schulter, und seine innere Anspannung ließ ein wenig nach.
»Als du dem Mann hinterhergerannt bist, hatte ich solche Angst. Er hätte auch dich erschießen können.«
»Ich bin ihm nachgerannt, nachdem er Logan losgelassen hatte«, gestand er ihr und spürte, wie sie sich versteifte. »Aber er hat mich absichtlich
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