Todeskleid: Thriller (German Edition)
gerade überfallen wurde. Wahrscheinlich habe ich die beiden jede Nacht mit meinem Geschrei aus dem Schlaf gerissen, aber sie haben nie etwas gesagt. Nun ist er verletzt, und seine Mutter ist tot, und das nur, weil er mich irgendwie spannend fand.«
Grayson strich ihr mit einer zärtlichen Geste das Haar aus dem Gesicht. »Er hat dich gestern ohne Erlaubnis gefilmt«, sagte er leise. »Das nennt man Stalking, Paige, und ist ein Straftatbestand. Dich trifft keine Schuld.«
»Ich weiß«, erwiderte sie geknickt. »Aber warum fühle ich mich dann trotzdem hundeelend?«
»Weil Sie ein Mensch sind«, sagte Stevie. »Hören Sie, der Junge hat nicht verdient, was ihm zugestoßen ist, aber er ist in dieser Geschichte auch nicht nur ein unbeteiligter Zuschauer.«
»Danke«, sagte Paige mit angestrengtem Lächeln. »Jedenfalls brauchen wir die ungeschnittene Version des Videos.«
»Und das wird nicht einfach werden«, erklärte Grayson. »Ich kann mir nicht vorstellen, dass Radcliffe es uns ohne richterliche Anordnung überlässt.«
»Morton hat gestern versucht, eine zu erwirken, aber dann kamen ihr Sandovals Leiche und der Abschiedsbrief dazwischen.« Stevie stand auf. »Grayson, dir empfehle ich, vor deiner Verabredung mit dem Polizeikommandanten ein paar Stunden zu schlafen. Wenn du ausgeruht bist, fällt dir vielleicht auch mehr zu dem Schützen ein. Wir sprechen mit der Dienstaufsichtsbehörde und überlegen gemeinsam, was getan werden kann. Sollten wir tatsächlich einen korrupten Kollegen haben, dann brauchen wir jede Unterstützung, die wir kriegen können. Ich frage Radcliffe draußen gleich nach dem Band. Im schlimmsten Fall weigert er sich, es herauszurücken.«
»Danke, Stevie. Ich weiß das wirklich zu schätzen.«
»Ich denke, ich bin dir was schuldig für all die vielen Verfügungen, die du in den vergangenen Jahren für mich erwirkt hast.« Sie lächelte müde.
Stevies Hand lag schon auf dem Türknauf, als Paige sie zurückhielt. »Detective. Was ist mit Delgado? Haben Sie seine Frau ausfindig gemacht?«
»Nein. Wir haben bereits die Fahndung eingeleitet, doch ich an ihrer Stelle würde mich mit meinem Kind verstecken.« Stevie zögerte einen Moment, dann sagte sie: »Wir haben die Pistole gefunden, mit der Delgado erschossen wurde. Sie lag in einem Müllcontainer hinter dem Haus, in dem die Muñoz’ wohnen. Also haben wir die Brüder zusammengetrieben und zum Verhör auf die Wache gebracht.«
Paige schürzte die Lippen. »Jemand wollte es so aussehen lassen, als sei es einer von ihnen gewesen.«
»Mein Partner und ich wussten am Tatort sofort, dass da etwas faul war – und das noch, bevor ich Ihre Geschichte kannte. Aber ich musste ein paar Fäden ziehen, um den Fall zu behalten, und ich wollte nicht, dass mir hinterher jemand vorwirft, ich sei nicht jedem Hinweis gefolgt.«
»Morton und Bashears zum Beispiel«, sagte Paige.
»Vielleicht. Dass Sie Jorges Leiche so bald nach seiner Ermordung gefunden haben, war hilfreich. Die Muñoz’-Brüder haben ein Alibi. Sie waren in der Kirche, der Priester hat es bestätigt.«
»Gut«, sagte Paige voller Mitgefühl. »Die arme Familie. Armer Ramon. Er muss sich so entsetzlich hilflos fühlen: Er sitzt im Gefängnis, und die, die von seiner Familie noch übrig sind, leiden. Ich muss ihn unbedingt besuchen. Ihn davon überzeugen, dass er nicht aufgeben darf. Ihm sagen, dass Elena ihn bis zum Ende geliebt hat.«
»Nein, noch nicht.« Graysons Miene war voller Mitgefühl. »Wir müssen den Täter oder die Täter in dem Glauben lassen, dass wir nichts wissen. Sie sollen sich sicher fühlen, unvorsichtig werden, Fehler machen und sich vor allem nicht vor uns verstecken. Falls Ramon etwas erfährt, verrät er sich vielleicht versehentlich.«
»Außerdem könnte ihn das selbst in Gefahr bringen«, fügte Stevie hinzu. »Wir müssen erst wissen, wer alles an dieser Sache beteiligt ist, bevor wir ihn einweihen.«
Paige seufzte. »Verstehe.«
»Sobald wir auf der sicheren Seite sind, bringe ich dich zu ihm, versprochen«, sagte Grayson.
Sie nickte. »Danke.«
»Also gut. Sehen wir zu, dass wir der Sache auf den Grund gehen«, schloss Stevie. »Und ihr seht zu, dass ihr ein bisschen schlaft.«
10. Kapitel
Mittwoch, 6. April, 4.15 Uhr
Silas hatte den Toyota und den Van in der Garage gelassen. Der Wagen, mit dem er sich nun von seinem Haus entfernte, war sicher und frei von jeglichen Aufspürgeräten. Er hatte ihn für den Fall der Fälle eigenhändig
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