Todesküste
Aussage dürfen Sie als sichere Erkenntnis nehmen. Außerdem
haben wir die Tabakkrümel in seiner Hosentasche analysiert. Sie müssen aus der
Zigarettenpackung herausgefallen sein und wurden von den Tätern beim Ausleeren
der Taschen übersehen. Es handelt sich wahrscheinlich um die Sorte Marlboro.
Wir haben das BKA in Wiesbaden
eingeschaltet, um jeden Zweifel daran auszuschließen, dass es sich um eine
einheimische Produktion handelt.«
»Das wäre neben der Bekleidung eine weitere
Bestätigung dafür, dass der Mann hier bei uns in Deutschland gelebt haben
muss.«
»Diese Vermutung könnte man daraus ziehen«, bestätigte
Dr. Braun. »Ich habe aber noch etwas für Sie.« Sie legte eine Pause ein und
sprach erst weiter, als Lüder sie dazu aufforderte. Es war die ihm bekannte Art
der Wissenschaftlerin, um Anerkennung für ihre Arbeit zu buhlen. »Wir haben
vielleicht eine Deutung des Tattoos, das der Tote am Oberarm trug.«
»Sie meinen das Gewehr mit dem gekreuzten Degen?«
»Nein, das andere. Im Original ist es ein emailliertes
Metallemblem und stellt einen stilisierten Fallschirm dar. Auf blauem
Hintergrund finden sich ein Schwert und zwei Blitze. In der Tätowierung fehlen
stilisierte Flügel und ein Schriftzug.«
»Donnerwetter. Wie haben Sie das herausgefunden?«
»Das ist unsere Arbeit«, versuchte Frau Dr. Braun
abzuwinken. »Nun möchten Sie sicher wissen, was auf dem Schriftzug steht?«
»Irgendetwas Militärisches?«, riet Lüder.
»Genau. ›Sky Soldiers‹.«
»Und ich gehe recht in der Annahme, dass Sie auch
wissen, um welche Armee es sich handelt?«
Dr. Braun ließ den Ansatz eines gurgelnden Lachens
hören. »Bei Robert Lembke hätten Sie mit dieser Fragetechnik gewonnen.«
»Und jetzt liege ich falsch?« Lüder war enttäuscht.
»Nein. Es handelt sich um das Wappen einer
Militäreinheit. Übrigens gibt es dieses Wappen offiziell seit dem 10. August
1967.«
»Lassen Sie mich raten: eine Kampfkompanie der Roten
Armee.«
»Gelegentlich bin ich unsicher, ob Sie mich zum Narren
halten wollen. Die Rote Armee hat kaum bis gar nicht dunkelhäutige Soldaten
rekrutiert. Außerdem ist doch …« Dr. Braun stutzte und hielt in ihren
Ausführungen inne. »Herr Lüders!«, kam es schließlich erbost über die Leitung.
»Wenn dort ›Sky Soldiers‹ steht, können es doch nicht die Sowjets sein. Das ist
doch englisch.«
»Habe ich noch einen zweiten Versuch? Dann tippe ich
auf die US -Army.«
»Wir wissen es sogar genauer. Es ist die 173.
Luftlandebrigade. Und der rote Fleck rund um den Griff des Schwerts verweist
auf den Kampfabsprung des Verbandes in Vietnam.«
»Ich verneige mich in Ehrfurcht vor Ihrer
Allwissenheit, liebe Frau Dr. Braun.«
»Sind Sie nun ein Schmeichler oder ein Heuchler?«,
antwortete die Wissenschaftlerin mit einer Gegenfrage, bevor sie das Gespräch
beendete.
Es war kaum anzunehmen, überlegte Lüder, dass sich ein
Außenstehender das Wappen einer US -Kampfeinheit
tätowieren ließ. Folglich konnte man davon ausgehen, dass es sich bei dem
unbekannten Toten um einen Bürger der Vereinigten Staaten handelte. Aber was
hatte den Mann nach Husum geführt, und aus welchem Grund wurde er dort
ermordet? Eine viel größere Frage war aber, was den harmlosen Steffen Meiners
aus Heide mit diesem Milieu verband.
Lüder suchte die Nummer des amerikanischen
Generalkonsulats in Hamburg heraus und wurde auf die üblichen Sprechzeiten
verwiesen. Auch sein Hinweis, es würde sich um eine dringende Angelegenheit
eines US -Bürgers handeln, ließ den
Gesprächspartner ungerührt.
Lüder überlegte, ob er Große Jäger in Husum oder
Frauke Dobermann in Flensburg über die neuen Vermutungen informieren sollte. Er
entschied sich dagegen, weil er zunächst selbst Kontakt zu den amerikanischen
Behörden aufnehmen wollte und man dort sicher nicht begeistert wäre, wenn
parallel zu ihm die Flensburger Mordkommission vorstellig werden würde. Und die
Leiterin des K1 würde sich auch durch Ermahnungen nicht davon abhalten lassen,
ihren eigenen Weg zu beschreiten.
So beschloss Lüder, Feierabend zu machen und den Rest
des ohnehin schon angebrochenen Abends seiner Familie zu widmen. Sinje würde er
zu dieser Stunde ohnehin nur noch schlafend zu Gesicht bekommen.
VIER
Sicher gab es viele Menschen, die früher am Morgen die
Arbeit aufnahmen als er, dachte Lüder, als er das dritte Mal vergeblich
versuchte, Große Jäger in Husum zu kontaktieren. Auch seine Bemühungen, einen
kompetenten
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