Todesküste
Ansprechpartner beim US -Generalkonsulat
zu erreichen, waren erfolglos.
Die Rückfrage bei der Itzehoer Kripo hatte keine neuen
Erkenntnisse gebracht. Markus Schwälm und seine Mitarbeiter bemühten sich
weiter, das Persönlichkeitsbild des Mordopfers zu vervollständigen und bisher
unbekannte Kontakte Steffen Meiners’ aufzudecken, die auf eine Verbindung zu
dem noch unbekannten Toten aus Husum verweisen könnten.
Bei der Flensburger Mordkommission gab es keine
Neuigkeiten. Man arbeitete auch hier an der Aufdeckung der Identität des
Opfers.
Lüder hatte schon zwei Mal den Telefonhörer in der
Hand gehabt, ihn jedoch immer wieder auf die Basisstation zurückgelegt. Er
hatte sich bei der Fahrt ins Büro gewohnheitsmäßig mehrere Zeitungen gekauft,
darunter die Boulevardblätter. In der Zeitung mit den großen Bildern und den
noch größeren Schlagzeilen auf der Titelseite las er einen Artikel von LSD , wie er Leif Stefan Dittert nannte.
Der umtriebige Journalist war Lüder schon in früheren Fällen durch den Stil
seiner Berichterstattung unangenehm aufgefallen. In einer Mischung aus
Halbwahrheiten, Vermutungen und offenkundigen Lügen verfasste Dittert häufig
Artikel, die in der entsprechenden reißerischen Aufmachung das Bedürfnis
mancher Mitbürger nach Sensationen befriedigten, aber von sauberer
journalistischer Arbeit weit entfernt waren. So war LSD auch auf mögliche Zusammenhänge zwischen den beiden Morden
gestoßen und hatte unter der Überschrift »Die Angst vor dem Serienkiller geht
um« allerlei abenteuerliche Mutmaßungen über die Zusammenhänge und Motive
angestellt, die von abartigen sexuellen Verstrickungen bis zu kriminellen
Machenschaften ging. Selbst wenn viele Leser des Blattes solche Artikel nur
überflogen und der inhaltliche Wert nur bis zur Erwähnung in der
Frühstückspause reichte, so waren die Folgen für die Angehörigen doch
nachhaltig. Wenn der Zeitungsbericht auch manipuliert und von Mutmaßungen
gespickt war, so tuschelten die Nachbarn und Menschen aus der Umgebung der
Betroffenen noch Jahre später und geilten sich an den falschen Gerüchten auf.
Heinrich Böll hatte diese Problematik zutreffend in seiner Erzählung »Die
verlorene Ehre der Katharina Blum« verarbeitet.
Nachdem Lüder erneut versucht hatte, den Husumer zu
erreichen, nahm Große Jäger das Gespräch entgegen.
»Ich habe auf dem Einwohnermeldeamt nachgefragt«,
berichtete der Oberkommissar. »Im Allgemeinen wissen die Mitarbeiter auf dem
hiesigen Rathaus gut Bescheid. Es konnte sich aber niemand an einen
dunkelhäutigen Ausländer erinnern, der in jüngster Zeit seinen Meldepflichten
nachgekommen ist. Man durchforstet jetzt die Daten und versucht, auf manuelle
Weise zu prüfen, ob man auf irgendetwas stößt. Ich habe außerdem eine
Fotografie des Opfers hinterlassen.«
»Hoffentlich vom Gesicht«, warf Lüder ein.
»Nee«, ließ sich Große Jäger nicht beirren. »Vom
Hosensaum. Übrigens bin ich gerade dabei, die gleiche Anfrage den umliegenden
Amtsverwaltungen zuzustellen. Der Mann muss ja nicht in Husum gewohnt haben.«
Lüder hörte durchs Telefon Hintergrundgeräusche.
Irgendjemand sagte: »Moin.«
»Moment mal«, bat Große Jäger um eine Unterbrechung
und wandte sich einem Besucher zu. »Moin, Thomas. Ich habe gerade Kiel am
Apparat. Das LKA hat ja
bekanntlich eine lange Leitung. Ist es wichtig?«
»Ich weiß nicht«, hörte Lüder den Besucher. »Wir haben
eine Anzeige wegen eines Graffitis. Jemand hat eine fremdenfeindliche Parole an
eine Hauswand gesprüht. Und jetzt gibt es voneinander abweichende Aussagen.
Nachbarn behaupten, in dem Haus hätte sich ein Schwarzer aufgehalten, während
der Hausverwalter das bestreitet. Ich dachte, es könnte dich interessieren,
weil ihr doch den dunkelhäutigen Toten in Arbeit habt.«
Lüder verstand Große Jägers Antwort nicht, weil der
Oberkommissar seine Hand über die Sprechmuschel hielt. Einen Augenblick später
meldete er sich wieder. »Haben Sie das mitbekommen?«
»Teilweise. Was hat es damit auf sich?«
»Ich weiß nicht«, bekannte der Oberkommissar. »Mich
hat eben Kommissar Thomas Friedrichsen von unseren uniformierten Kollegen
besucht. Da hat jemand Anzeige wegen eines Graffitis mit einer
diskriminierenden Parole erstattet. Merkwürdigerweise aber nicht der Verwalter
des betroffenen Hauses, sondern jemand aus der Nachbarschaft. Der Mann
behauptet zudem, in dem beschmierten Haus würde ein Dunkelhäutiger wohnen. Das
hingegen bestreitet der
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