Todesläufer: Thriller (German Edition)
doch bitte zu, ob Sie da etwas tun können, und halten Sie uns auf dem Laufenden.«
Eins der beiden auf dem Tisch liegenden Mobiltelefone des Präsidenten begann zu vibrieren. Schon aus der Zeit vor seiner Wahl ins Amt hieß es über Stanley Cooper, er hinge an seinem Handy wie an einer Nabelschnur. Er nutzte es so intensiv, dass sich mehrere Ärzte öffentlich über die möglichen Folgen für seine Gesundheit beunruhigt gezeigt hatten. Seine Wahl zum Präsidenten hatte in der Hinsicht keine Besserung eingeläutet. Im Gegenteil, jetzt war zu dem verschlüsselten Smartphone, über das er private Kontakte pflegte, ein Sectera Edge mit einer gesicherten Leitung für dienstliche Gespräche getreten.
Der Name Kelly erschien auf dem Display seines privaten Telefons. Nach kurzem Zögern nahm er ab: »Ja, mein Schatz. Ich bin in einer äußerst wichtigen Sitzung und kann jetzt nicht mit dir sprechen.«
Stanley Coopers Aura ging zu einem Gutteil darauf zurück, dass er auch in den kritischsten Situationen menschlich reagierte, einfühlsam und ansprechbar war. Zwar nahm er sein Präsidentenamt absolut ernst, doch er war zugleich Ehemann, Familienvater, Onkel und Freund. Und wenn seine siebzehnjährige Tochter Kelly anrief, nahm er sich fast immer Zeit für sie.
»Wirklich?«
Gleich darauf wandte er sich an Roy Patrow. »Schalten Sie CNN ein.«
Auf einem der vielen Bildschirme wurde ein mit Stab- und Parabolantennen übersätes Flachdach sichtbar. Die rechte Hälfte des geteilten Bildschirms zeigte das herangezoomte Bild eines Mannes mit Kopfwunde, der eine leblos scheinende junge Frau in den Armen hielt.
»Ton!«, bellte Salz seinen Mitarbeiter an.
»… Informationen bestätigen, dass es sich um Captain Sam Pollack vom NYPD handelt. Die junge Frau, die er trägt, um eine Explosion zu verhindern, ist seine Tochter Grace, der man vor knapp zwei Jahren einen Schrittmacher implantiert hat …«
»Ach, dann kann man den Mechanismus also überlisten, indem der Betreffende von einem anderen, der hin und her geht, getragen wird?«, fragte der Präsident verblüfft.
»Sieht ganz danach aus …«
»Der Kerl scheint ja wirklich ein besonderes Talent zu haben, sich in Schwierigkeiten zu bringen«, murmelte der Leiter des FBI .
Stanley Cooper teilte Douglas’ Arroganz nicht. Pollack hatte sich bei allem, was seit dem Vortag geschehen war, weit unerschrockener verhalten als die meisten Anwesenden. Es rührte ihn, dass seiner Tochter Kelly die verzweifelte Lage, in der sich Pollacks Tochter befand, so nahe ging.
Er machte sich Vorwürfe, dass er dem Druck nachgegeben und den Polizeibeamten von der Untersuchung abgezogen hatte.
»… es sieht ganz danach aus, dass ein Heckenschütze trotz Präsident Coopers Aufruf über das EAS -System auf Grace Pollack gefeuert hat, ein Schicksal, das sie mit vielen anderen Todesläufern im ganzen Land teilt …«
»Großer Gott, Graham, was kann man für die Leute tun?«
»Im Augenblick nicht mehr als das, was bereits geschieht …«
Während ihres Wortwechsels konnte man auf dem Dach eine medizinische Einsatzgruppe des NYPD auftauchen sehen. Zwei überaus kräftig wirkende Männer lösten Sam ab, während sich ein Arzt über die junge Frau im geblümten Kleid beugte, die sie unablässig im Kreis um den Antennenwald herumtrugen. Die ganze Zeit über brummte die Drohne in wenigen Metern Höhe über der Szene und machte ihre Aufnahmen.
»Beordern Sie zumindest das Ding da ab …«, brach es aus dem Präsidenten heraus, dessen gerötetes Gesicht zeigte, wie verärgert er war. »Und sorgen Sie dafür, dass man den Heckenschützen aus dem Verkehr zieht!«
Das Schauspiel, das der machtlose Vater bot, war bedrückend. Es erinnerte diejenigen, die alt genug waren, um es bewusst miterlebt zu haben, an die Katastrophe, bei der es 1985 im kolumbianischen Armero zu einem Erdrutsch gekommen war. Dort hatte man zum ersten Mal in der Geschichte des Fernsehens das Sterben einer in den Trümmern ihres zerstörten Elternhauses verschütteten Zwölfjährigen live verfolgen können, um die herum das Wasser Stunde für Stunde immer höher stieg, ohne dass es eine Möglichkeit zu ihrer Rettung gab.
Die Mitglieder des Nationalen Sicherheitsrats waren von den Bildern der Direktübertragung so gebannt, dass es eine ganze Weile dauerte, bis sie die Verzweiflung des Präsidenten bemerkten. Mit schmerzverzerrtem Gesicht hatte er sich langsam in seinen Sessel sinken lassen und sich dann mit vor der Brust
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