Todesläufer: Thriller (German Edition)
antwortete nicht gleich. Er zögerte offenbar, ob er sich auf die Seite seiner Frau schlagen oder seine Haut retten sollte.
»Ich würde lügen, wenn ich Ihnen sagte, dass mir der Gedanke nicht ebenfalls gekommen ist. Das ist doch ganz normal, wenn man einer Frau gestattet, die eigene Staatsangehörigkeit anzunehmen …«
»Aber dann haben Sie es vorgezogen, nicht weiter darüber nachzudenken?«
»Ja … ich war sehr verliebt. Eine Heirat mit ihr schien mir auf alle Fälle verlockend.«
»Sind Sie es immer noch?«
»Was … verliebt? Ja. Ich glaube schon.«
»Stimmt.«
»Als ich Sie gestern gefragt habe, ob Sie einer Person misstrauen, die Ihnen nahesteht, waren Sie nicht bereit, mir einen Namen zu nennen. Sie haben aber dabei an sie gedacht, nicht wahr?«
»Ja.«
»Warum? Was könnte einen so gut informierten Mann wie Sie veranlassen, der eigenen Frau gegenüber gewisse Zweifel zu hegen?«
»Eigentlich nur zwei Details.«
»Welche?«
»Zum einen ihr Pass.«
»Ihr französischer Pass?«
»Nein, der, den sie vorher hatte. Ich bin kein Spezialist, habe aber im Laufe meines Lebens genug algerische Pässe zu sehen bekommen, um zu erkennen, wenn einer falsch ist. Ich bin fast sicher, dass auch ihrer gefälscht war.«
»Wollen Sie damit sagen, dass sie keine Algerierin war?«
»Zu diesem Ergebnis bin ich nach längerem Nachdenken gekommen.«
»Und dass sie sich dieser Nationalität bedient hat, um leichter mit Ihnen anbändeln zu können?«
Mit einem tiefen Seufzer schlug Zerdaoui die Augen nieder.
»Ich weiß nicht … vielleicht.«
Die Frage, die ihn umtrieb, lautete eher: »Warum ich?« Wenn ihre Liebesbeziehung lediglich als Vorbereitung auf die gegenwärtigen Ereignisse inszeniert worden war, warum war ihre Wahl dann auf ihn gefallen und nicht auf einen anderen? Was konnte er ihr bieten, außer seinem französischen Pass?
»Und fällt Ihnen noch etwas ein, was sie hätte verraten können? Ich weiß nicht, vielleicht ein besonderer Akzent?«
»Ja. Aber nicht ihr Akzent. Es gibt Hunderte von arabischen Akzenten, und ich bin nicht besonders begabt darin, die voneinander zu unterscheiden.«
»Was dann?«
»Eines Tages bin ich früher als erwartet nach Hause gekommen. Ich wollte sie mit einem Geschenk zu unserem ersten Hochzeitstag überraschen. Da ich wusste, dass sie daheim war, habe ich darauf geachtet, beim Hereinkommen ganz leise zu sein. Dabei habe ich sie in einer Sprache sprechen hören, die ich nicht kannte.«
»Haben Sie eine Ahnung, was für eine Sprache das gewesen sein könnte?«
»Auf keinen Fall Arabisch, das steht fest. Es klang eher wie Farsi, aber einzelne Wörter unterschieden sich deutlich von dem, was im Iran gesprochen wird.«
Farsi, die offizielle Sprache der islamischen Republik Iran. Das war zwar nicht viel und stand auf wackligen Füßen, aber das unwillkürliche leichte Zucken in Bentons Gesicht zeigte, dass ihn diese Information nicht kaltließ.
»Woher wissen Sie das? Ich dachte, Sie haben mit Sprachen nicht besonders viel am Hut?«
»Das habe ich nicht gesagt. Das bezog sich lediglich auf Akzente des Arabischen. Ich kenne mehrere in Frankreich lebende Iraner, politische Flüchtlinge. Sie habe ich oft miteinander reden hören.«
»Haben Sie verstanden, was Ihre Frau gesagt hat?«
»Nein, ich spreche kein Farsi. Ich radebreche ein paar Brocken, das ist alles … Außerdem war ich völlig überrascht.«
»Und dann?«
»Das Ganze hat nur wenige Sekunden gedauert. Als sie das Parkett hinter sich knarren hörte, hat sie sofort aufgelegt.«
»Und Sie haben sie nie gefragt, was das Kauderwelsch zu bedeuten hatte? Nicht einmal, mit wem sie gesprochen hatte?«
»Nein.«
Ein anerkannter Experte für islamistischen Terror, der unfähig war, den Feind im eigenen Bett zu erkennen! Zwar fand Benton die Vorstellung ungeheuerlich, aber Zerdaoui wäre nicht der erste Mann, der den klaren Verstand beim Augenaufschlag einer kaltblütigen Mata Hari mit feurigem Temperament verlor. Immerhin musste man zugeben, dass die Natur die junge Frau mit recht überzeugenden Argumenten ausgestattet hatte. Das sah man nur allzu deutlich an Aaron Bernstein, der sich ebenfalls von ihr hatte einwickeln lassen.
In der nächsten Viertelstunde konnte Benton zumindest ein wenig Licht ins Dunkel bringen. Er erging sich in einem langen Monolog und trug Hypothesen vor, die im Wesentlichen auf Spekulationen beruhten, doch ergab sich daraus ein durchaus plausibles Bild, das nur noch der Bestätigung
Weitere Kostenlose Bücher