Todesläufer: Thriller (German Edition)
worden. Wo haben Sie sie anschließend hingebracht?«, wollte Sam von Benton wissen.
»In einen Warteraum.«
»War da die Überwachungskamera eingeschaltet?«
»Selbstverständlich.«
»Ich möchte die Aufnahme sehen.«
Sie war zwei Stunden lang. Zwei Stunden, in denen die Frau an die Decke starrte, sich mit ihren Fingernägeln beschäftigte, das Gesicht auf die Hände stützte. Sich die Aufnahmen eines Menschen anzusehen, der sich allein in einem Raum befand, dessen einzige Möblierung aus einem Stuhl und einem Wasserspender bestand, war außerordentlich langweilig. Selbst im Schnelldurchlauf war es ermüdend.
Der Zeitstempel zeigte 23:27:56, als Lance Devroe in den Raum trat. Soeben war durch die Intervention des Élysée die Freilassung des französischen Paars angeordnet worden. Devroe überreichte der Frau ihre Handtasche.
23:28:14. Devroe verließ den Raum. Sie war wieder allein. Sie suchte fiebrig in der Tasche und nahm ihr Telefon heraus.
Im Rückblick fand Benton den Fehler seines Untergebenen haarsträubend. Er hatte der Frau ihre Habe zurückgegeben, während sie sich noch im Gewahrsam befand.
Sam wunderte sich eher, dass sie das Risiko eingegangen war zu telefonieren, obwohl sie wissen musste, dass sie überwacht wurde. Allerdings bestand die Nummer, die sie wählte, aus lediglich drei Ziffern.
23:29:02. Sie hört ihre Mailbox ab …
Diese enthielt nur eine kurze Nachricht. Der Ton aus dem Lautsprecher ihres Handys war verzerrt. Offensichtlich war die Entfernung bis zum Mikrofon der Kamera, die in der gegenüberliegenden Ecke ziemlich weit oben hing, zu groß gewesen.
»Gibt es eine Möglichkeit, das so hinzukriegen, dass man das versteht?«, fragte Sam den Audiotechniker, der die Aufnahme gebracht hatte.
»Wir können es versuchen«, gab dieser in zweifelndem Ton zurück. »Aber das Signal ist sehr schwach.«
Etwa zwanzig Minuten später kam der Mann zurück und steckte einen USB -Stick mit der gefilterten und verstärkten Aufnahme in den Anschluss des Abspielpults.
Sam ließ dem Sprachexperten nicht einmal die Zeit, sich die Nachricht zu Ende anzuhören.
»Sagt Ihnen das was?«
»Nicht unbedingt. Die Aufnahmequalität ist ziemlich mies … und diese Dialekte ähneln sich alle.«
»Versuchen Sie es trotzdem.«
»Es könnte Gilaki sein …«, sagte er zögernd.
»Was ist das?«
»Eine nordwestiranische Sprache, die in der Provinz Gilan gesprochen wird.«
»Und warum gerade die?«
»Ich gehe einfach von der Statistik aus, der zufolge eine Sprache am ehesten außerhalb des Landes verwendet wird, je häufiger sie im Lande gesprochen wird. Gilaki ist mit über drei Millionen Sprechern im Iran eine der geläufigsten Sprachen.«
»Das heißt, wenn ich Sie richtig verstehe … ist das eine reine Vermutung?«
»Hören Sie, ich habe es schon gesagt: Das ist nicht mein Spezialgebiet. Wenn Sie eine Bestätigung brauchen, müssen Sie das der NSA schicken. Die neueste Version von deren AVIA -Programm kann im Bruchteil einer Sekunde mehrere Dutzend der im Mittleren Orient gebräuchlichen indoeuropäischen und arabischen Sprachvarianten differenzieren. Da hätten Sie dann eine zuverlässige Aussage.«
»Könnten Sie ganz grob übersetzen, was sie sagt?«, meldete sich Benton zu Wort.
»Nicht unbedingt. Aber ich erkenne einzelne Wörter.«
»Welche zum Beispiel?«
»›Strand‹, glaube ich, ›morgen‹. Außerdem klingt da etwas wie ›Boot‹, aber ganz sicher bin ich mir nicht.«
»Die haben ein Treffen vereinbart!«
Auch wenn Sam nicht wusste, ob sie den Sprung ins Wasser überlebt hatte, war er überzeugt, dass sie in der Nähe Komplizen haben musste. Auf Staten Island gab es die größten und zugleich Manhattan am nächsten gelegenen nicht überwachten Uferbereiche.
Sicher hielten sich diese Komplizen noch in der Gegend auf, wahrscheinlich auf dem »Boot«, das der Experte aus dem Klangbrei herausgehört zu haben glaubte. Doch zweifellos würden sie dort nicht endlos warten. Es hieß rasch handeln.
Sam spürte, wie ihm neue Kräfte zuwuchsen.
»Okay, ich alarmiere zusammen mit Greg die Küstenwache. Wir geben ihnen Zahra Zerdaouis Personenbeschreibung durch.«
»In Ordnung. Ich sehe zu, was sich bei der NSA über sie auftreiben lässt.«
Morgen, Strand, Boot … Sie lebt! Sie muss leben.
Er war sich ganz sicher.
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