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Todesläufer: Thriller (German Edition)

Todesläufer: Thriller (German Edition)

Titel: Todesläufer: Thriller (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Frédéric Mars
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Die von Dylan, Ginsberg und anderen lokalen Größen überkommene Tradition verfemter Autoren und Folk-Musiker wurde seinerzeit zwar noch hochgehalten, doch ihre Vertreter waren größtenteils ebensolche verkrachten Existenzen gewesen wie die armen Schlucker, deren Elend sie in ihren Texten beschrieben.
    All das lag weit zurück, denn in den neunziger Jahren hatte die mit der Immobilienspekulation einhergehende horrende Erhöhung der Mieten das Viertel wie mit einem eisernen Besen ausgekehrt. Es war zwar nicht viel sauberer geworden, wohl aber deutlich teurer. Seither war die ganze East Side auf eine bohemehaft angehauchte Weise verbürgerlicht, und im Laufe der Zeit hatten dreirädrige Kinderwagen und Inliner die vermüllten Einkaufswagen der Obdachlosen verdrängt.
    Nachdem das Gittertor zum Park am Stuyvesant Square geschlossen worden war, hatte es Stanley Cooper gerade noch rechtzeitig geschafft, sich wegzuducken, um nicht von den Secret-Service-Leuten gesehen zu werden, die sich in die umliegenden Straßen stürzten und danach im Eilschritt in den Bernstein-Pavillon zurückkehrten. Sobald die Luft wieder rein war, kletterte er an der Einmündung der Second Avenue über den Zaun und lief, so schnell er konnte, die Straße entlang. Jenseits der 14. Straße änderte sich die Umgebung. Zahlreiche Kneipen, exotische Restaurants und Off-Off-Broadway-Theater verliehen dem Viertel eine gewisse Coolness. Auf Höhe des East Village Cinema bog er ostwärts in die 12. Straße ein.
    Nicht alles hatte sich verändert. Er erkannte den zwischen einem Mietshaus und einer Kirche eingezwängten kleinen Basketballplatz wieder, auf dem er jahrelang gespielt hatte. Als ein Streifenwagen in die Straße einbog, eilte er instinktiv die wenigen Stufen zum schäbigen Zwischengeschoss einer Praxis für Fußreflexzonenmassage hinab und zog den Kopf ein. Auch wenn er die Gegend stellenweise kaum wiedererkannte, schien sich sein Körper noch deutlich an alles zu erinnern.
    Nach einer Weile begann er sich zu fragen, warum er das Weite gesucht hatte. Zwar bereitete es ihm ein heimliches Vergnügen, sich dort herumzutreiben, gleichsam auf den Spuren seiner Kindheit zu wandeln. Aber wo war das Heer von Läufern, um derentwillen er sich zu dieser irrwitzigen Flucht entschlossen hatte? Wo versteckten sich die Hunderte heimgesuchter Herzkranker, als deren Vorkämpfer und letzter Halt er auftreten wollte?
    Im Augenblick fühlte er sich ausgesprochen einsam. Ihm wurde bewusst, dass er in lediglich drei Stunden nicht mehr und nicht weniger als einer unter vielen wäre. Er würde nicht mehr einfach stehen bleiben können, wie er es gerade getan hatte, sondern dazu verdammt sein, unaufhörlich einen Fuß vor den anderen zu setzen.
    Niemand befand sich auf der Avenue A. Kein explosiver Zombie war in Sicht.
    Nachdem er das Gitter am Tompkins Square überklettert hatte – es war deutlich niedriger als das am Stuyvesant Square –, zog er wie ein müßiger Spaziergänger durch den Park. Er sah, dass man unweit des Brunnenhäuschens, unter dem die Temperance Fountain sprudelte, einen neuen Kinderspielplatz angelegt hatte.
    An den vier Seiten des tempelähnlichen, quadratischen Bauwerks, auf dem eine anmutige Statue im griechischen Stil thronte, waren die Worte Hoffnung-Nächstenliebe-Vertrauen-Mäßigkeit in den Stein gemeißelt.
    Hatte er diese vier Grundtugenden je in sich vereinigt? Bedeuteten sie nicht weit mehr als das übliche moralisierende Geschwätz, waren sie nicht geradezu die Definition dessen, was einen Staatsmann ausmacht?
    Eine laute Stimme, die von der 10. Straße herüberschallte, riss ihn aus seinen Gedanken und zurück in die Gegenwart: »Geben Sie das sofort wieder her!«
    Er konnte das Gesicht des Mannes nicht erkennen, doch er war sicher, dass er die Stimme schon einmal gehört hatte. Geduckt näherte er sich so unauffällig wie möglich der Stelle, wobei er an jeder Bank und jedem Busch, an denen er vorüberkam, Deckung suchte. Jetzt war er nur noch rund zwanzig Schritt von ihm entfernt. Es war nicht einfach, ihn in der völligen Dunkelheit von dort aus zu erkennen. Der Mann stand mit dem Rücken zu ihm, und der, mit dem er sprach, war durch einen Baum verdeckt.
    »Geben.. Sie … das … verfluchte … Telefon … her.«
    Plötzlich flog ein Gegenstand in den Park und landete in einem Beet mit verblühten Sommerblumen. Zwar konnte Stanley Cooper nicht sehen, um was es sich handelte, doch im nächsten Moment ertönte am Boden eine

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