Todesläufer: Thriller (German Edition)
darf ich Sie fragen, warum?«
»Dafür gibt es keine richtige Erklärung. Ich weiß, dass Ihnen die Hände gebunden sind und dass Sie zwischen den Interessengruppen zerrieben werden, zwischen der Wall Street, dem Kongress und Ihren Beratern, die an den teuren Universitäten studiert haben und sich einen Dreck um Arbeitslose wie mich kümmern … Das alles ist mir bekannt.«
»Und …?«
»Na ja, ich weiß nicht, wie ich das sagen soll, ohne Sie zu kränken … Ich vertrau Ihnen einfach. Wenn Sie sagen, Sie wollen dafür sorgen, dass alle Armen Zugang zur Gesundheitsfürsorge haben, glaub ich Ihnen das … und ich hab den Eindruck, dass Sie das selber auch glauben. Dass es für Sie nicht nur leere Worte sind.«
»Aber genauso ist es!«, fuhr Cooper auf. »Ich glaube das wirklich.«
»Wenn Sie das sagen … Meine Frau behauptet immer, ich würde bloß deshalb alles schlucken, was Sie im Fernsehen so von sich geben, weil mein bester Kumpel Ihnen ähnlich sieht. Vielleicht stimmt das sogar.«
Er musste lachen, so sonderbar es in ihrer Lage auch anmuten mochte.
»Auf jeden Fall vielen Dank«, sagte Cooper und nickte.
Nach einer verlegenen Pause wandte er sich mit ernster Miene erneut an seinen Begleiter: »Hat man Ihnen in Ihrem Umschlag … ein Ziel genannt?«
»Ja, sogar ein verdammtes Scheißziel.«
Er brummte vor sich hin und bedauerte sofort, so unbedacht gesprochen zu haben. Als hätte ihm ein unsichtbarer Jiminy Grille ins Gewissen geredet.
»Und welches?«
»Den Turm.«
»Den neuen Turm am World Trade Center, 1 WTC ?«
»Ja. Und ich bin nicht der Einzige. Der vorhin abgehauen ist, wollte auch dahin.«
Also mindestens drei . Stan behielt diesen Gedanken für sich, um seinen neuen Freund nicht zu erschrecken. Drei, und sicherlich noch mehr. Damit ließe sich am Fuß des Riesenbaus ein ordentliches Feuerwerk veranstalten, so beachtlich, dass man ihn zum Einsturz bringen könnte.
Earl wagte nicht, ihn seinerseits zu fragen, doch es stand ihm ins Gesicht geschrieben, dass die Neugier heftig an ihm nagte.
»Ich auch«, gestand Stan Cooper schließlich.
»Nehmen Sie es mir nicht übel, aber … Sie , Sie hatten die Wahl, oder etwa nicht? Sie hätten sich doch ohne Weiteres aus dem Schlamassel raushalten können?«
»In dem Punkt muss ich Ihnen recht geben, Earl: Das hätte ich tun können. Ja«, fügte er leiser hinzu, »ich habe meine Entscheidung getroffen .«
Der andere brauchte keine weiteren Erklärungen. Er verstand auch so. Stanley Cooper wollte die anderen Läufer an ihr Ziel begleiten, ihr Schicksal teilen. Mit ihnen auf einer Stufe stehen.
Männer wie Earl hatten ihn gewählt, damit er der Präsident der Leidenden wurde, und daran hatte sich Cooper letztlich erinnert. Es ist nie zu spät, das Richtige zu tun , ging es ihm durch den Kopf.
»Gibt es denn niemanden, dem Sie das sagen müssen?«, wollte Earl wissen.
»Nein, ganz im Gegenteil … je weniger davon wissen, desto länger kann ich Ihren Weg mitgehen.«
»Sind Sie sicher?«
Der frühere Polizist hatte ein Mobiltelefon aus der Tasche seiner Jogginghose genommen und reichte es Cooper. Dabei nickte er, als wollte er sagen: »Nur zu, das ist das Mindeste, was ich für Sie tun kann.«
Der Präsident schaute es einen Moment zögernd an.
»Besteht nicht die Gefahr, dass die feststellen, wo wir sind, wenn ich das benutze?«
»Nur, wenn Sie länger als etwa zwanzig Sekunden sprechen. Bei ganz kurzen Gesprächen kann man so ein Telefon nicht orten.«
Cooper nahm es und klappte es auf. Der Balken auf der Anzeige zeigte eine hohe Signalstärke an.
»Sowieso sind weniger die Satelliten unser Problem«, fügte Earl hinzu.
Er ging langsamer und wies mit dem Zeigefinger auf mehrere Fenster, hinter denen man Lichtreflexe oder Lampenschein sah.
»Die jungen Leute mit ihrem Getwitter machen uns viel mehr Ärger. Die geben es übers Internet sofort weiter, wenn sie einen von uns gesehen haben. Das geht ruckzuck!«
Ohne darauf einzugehen, wählte Cooper rasch eine Nummer. Schon bald meldete sich eine Frauenstimme.
»Annette? Annette, ich bin’s …«
»Stan, wo bist du?«
»Das kann ich dir nicht sagen, Liebling … aber es geht mir gut.«
»Du kannst doch nicht einfach so verschwinden! Du …«
»Annette, lass mich reden! Ich habe noch fünfzehn Sekunden.«
»Stan.«
»Geht auf keinen Fall zu der Feier. Hörst du? Das ist alles, was du wissen musst. Geht nicht zur Einweihungsfeier. Bleib mit den Mädchen im Hotel.«
»Aber es ist
Weitere Kostenlose Bücher