Todesläufer: Thriller (German Edition)
Hosenbein abwischte.
»Da …! Sehen Sie nicht?«
Er zeigte nach vorn. Etwa zweihundert Meter vor ihnen war eine Gruppe Menschen stehen geblieben wie vom Scheinwerferlicht geblendete Tiere. Ein Windstoß, der über sie dahinfuhr, riss außer dem auf der Straße liegenden Abfall auch eine Mütze mit sich, deren Form den beiden Männern bestens bekannt war. Solche Mützen trugen die Beamten des NYPD .
Als sie davonsegelte, fiel der Frau in Polizeiuniform, welche die Gruppe zu führen schien, eine üppige schwarze Mähne über die Schultern bis auf die Hüften. Trotz der Entfernung erkannte Sam sie sofort.
Wortlos sprang er aus dem Wagen und stürmte auf die Läufer zu.
Die Uniformierte, die im hellen Lichtschein dastand, wandte sich um. Sam sah, dass sie mit beiden Händen den Griff einer Pistole umklammert hielt. Im nächsten Augenblick fiel ein Schuss. Die Kugel verfehlte ihn, zertrümmerte aber einen der Scheinwerfer des Crown Victoria.
Benton, der ebenfalls ausgestiegen war, sprang zurück und mahnte Sam überflüssigerweise zur Vorsicht: »So nicht! Warten Sie auf Verstärkung.«
Die Läufer um die Frau herum verstanden nicht, was da geschah. Warum schoss die Polizistin ohne Anruf auf die Männer? Waren das Freunde oder Feinde? Starr vor Angst schienen einige den tödlichen Countdown in ihrer Brust vergessen zu haben. Andere stoben furchtsam in alle Richtungen davon – nur fort von der Verrückten, auf die sie nie hätten hören sollen.
Der zweite Schuss war besser gezielt und zwang Sam in die Deckung einer Ziegelmauer an der Ecke der Cedar Street, unmittelbar hinter der NYPD -Kaserne.
Mist! Die stehen zu dicht beieinander … Benton würde nicht auf die Frau schießen können, ohne andere zu gefährden.
Diesen Umstand nutzte Zahra, indem sie mehrere Handfesseln aus ihrer Tasche nahm und mit vorgehaltener Pistole einen der beiden Jungen zwang, damit die Läufer aneinanderzufesseln.
Eine Flut von Gefühlen – Wut, Scham und Verzweiflung – erfasste die Frau, die an Zahras Versprechungen geglaubt hatte.
»Aber was machen Sie denn da? Wer sind Sie …«
Um sie zur Räson zu bringen und der Gruppe zu zeigen, wer das Sagen hatte, versetzte ihr Zahra mit dem Pistolengriff einen kräftigen Schlag gegen die Schläfe.
»Maul halten! Weiter!«
Die Polizeibeamten im äußeren Kordon schienen nicht recht zu wissen, was sie von der sonderbaren Kollegin mit dem Trupp Gefesselter halten sollten, und ließen sie durch. Was hatte sie vor? Wohin brachte sie sie? Der Schuss, mit dem sie einen Beamten bedachte, der der Sache auf den Grund gehen wollte, vertrieb alle Zweifel. Zu spät.
Den Jüngsten als Schutzschild vor sich haltend, trieb sie die Läufer wie eine widerstrebende Herde über den mit unzähligen, noch winzigen Eichen bepflanzten Vorplatz, der frei und menschenleer vor ihnen lag. Nichts und niemand hinderte sie.
Nie zuvor hatten die »Todesläufer« diesen Namen mit mehr Recht getragen.
5 UHR 10 – NEW YORK – VOR DEM 1WTC/FORT MEADE – HAUPTQUARTIER DER NSA
In New York
Dort, wo der West Broadway unmittelbar an den Vorplatz des World Trade Center stößt, also an seinem äußersten Ende, gab es keine Läden, sondern ausschließlich Bürogebäude. Zu normalen Zeiten drängten sich in ihren riesigen Hallen im Erdgeschoss ab sieben Uhr morgens Menschenmassen, doch jetzt lag alles leer und verlassen.
»Stimmt was nicht?«, fragte Earl beunruhigt.
Stanley Cooper ging langsamer und hielt sich eine Hand an die Brust. Die eilige Flucht vor den Molotow-Cocktails hatte ihn offenbar erschöpft. Da ihnen Bäume und Vordächer nur wenig Schutz boten, mussten sie immer auf der Hut sein. Erst nach zahlreichen Umwegen und mehrfachem Richtungswechsel hatten sie sich den Spotters endlich entziehen können.
»Doch, doch. Es ist alles in Ordnung … Es hat auch früher schon weh getan.«
Was er weiter unten an der Straße vor sich sah, machte ihm größere Sorgen als seine alten Schmerzen. Das Gelände wurde scharf von der Polizei überwacht. Den Kordon der uniformierten Beamten verstärkte eine nahezu lückenlose Mauer aus Fahrzeugen des NYPD , deren Rundumleuchten blaue und rote Reflexe auf dem regennassen Boden tanzen ließen. Es war unmöglich, auf den Vorplatz zu gelangen, ohne sich als dazu berechtigt ausweisen zu können.
Als sie an der Ecke West Broadway und Barkley Street den kleinen dreieckigen Platz mit der knallroten Skulptur Balloon Flower von Jeff Koons erreichten, näherten sich ihnen zwei
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