Todeslauf: Thriller (German Edition)
Messingstange unten an der Bar und umklammerte sie in seinem Schmerz. Er schluchzte.
Sie zog ein Handy aus der Tasche und wählte eine Nummer. »Hallo? Nadia?«
Nadia war der Name eines der Mädchen. Er erinnerte sich – die Rothaarige.
»Ich habe ihn hier. Er hat ein gebrochenes Bein, eine gebrochene Nase, und er ist gut durchgeprügelt. Er kann euch nicht entkommen. Er kann euch nichts tun. Soll ich ihn euch bringen? Macht mit ihm, was ihr wollt.« Sie hörte einige lange Augenblicke zu. »Bist du sicher? Es wäre vielleicht eine Genugtuung, es ihm zurückzugeben. Nein? Okay, dann nicht.«
Sie beendete das Gespräch. »Die Frauen wollen dich nie wieder sehen. Ich schätze, sie sind besser als du«, sagte Mila achselzuckend.
»Bitte … bitte.«
»Die Frauen sind auch besser als ich.« Sie zog eine Pistole aus dem Hosenbund und schoss ihm zwischen die Beine. Ein Schmerz, wie man ihn sich schlimmer nicht vorstellen konnte. Er schrie und heulte und wand sich am Boden.
Mila begann zu zählen. Langsam. »Eins-Amsterdam. Zwei-Amsterdam. Drei-Amsterdam«, während Piet auf dem Betonboden schluchzte und zitterte. Als sie bei acht war – für die acht Frauen, die sie vor ihm gerettet hatte –, erlöste sie ihn mit einer Kugel zwischen die Augen. Er zuckte noch einmal, ein letzter zischender Luftzug entwich ihm, dann lag er reglos da.
Sie würdigte ihn keines Blickes mehr, sondern zog das Handy heraus und rief Henrik an. Er meldete sich beim dritten Klingeln.
»Ich brauche Sie hier in der Bar, Sie müssen eine ziemliche Schweinerei beseitigen. Benutzen Sie die Deponie draußen beim Flughafen – und lassen Sie die Bar heute zu, bis Sie wieder von mir hören.«
»Ich verstehe«, sagte Henrik.
Sie ging hinaus, schloss die Tür ab, eilte zu ihrem Wagen und brauste auf die stille Straße hinaus. Nach etwa fünf Minuten begann sie zu zittern, als sie an die angsterfüllten Augen des sterbenden Mannes dachte. Ein Blick, der um Gnade flehte, die sie nicht gewähren konnte.
Glaubst du etwa, er hat jemals an die Augen der Frauen gedacht?, fragte sich Mila. Das hat er nie getan. Nie. Vergiss ihn.
Das tat sie und fuhr weiter. Sie fragte sich, ob Sam Capra noch am Leben war und ob sie ihm je erzählen konnte, was sie getan hatte. Sie glaubte nicht mehr daran.
75
Ich spürte, wie das Schloss nachgab. Ich stieß die Tür auf. Mein Rücken war schweißnass.
Ich lief nach oben. Aus der Ferne hörte ich Schüsse. Die Männer lagen dort, wo ich sie liegen gelassen hatte, außer einem; er lag neben der Wand.
Alle hatten Einschusslöcher in der Stirn.
Ich lief zum Gärraum hinauf. Der Wächter, den ich auf dem Laufsteg erwischt hatte, lag jetzt unten bei der Treppe. Auch er mit einem Einschussloch in der Stirn.
Ich humpelte den Gang zum Lagerraum entlang. Die Handys lagen immer noch am Boden; das Computerspiel war zu Ende und zeigte ein leeres Schlachtfeld. Die Stahltür war halb geöffnet; ich zog sie ganz auf. Die fünf Leute, die ich in den Kühlraum gesperrt hatte, saßen zusammengesunken da. Alle aus nächster Nähe erschossen.
Edward hatte sein gesamtes Team ermordet.
Warum?
Ich eilte zurück in den Ladebereich. Es roch nach Blut und Bier.
Ich konnte zu Howell gehen und ihm von Lucy erzählen.
Und hoffen, dass er mir glaubte? Wenn Lucy schon weg war, hatte ich keinen Beweis. Und Howell würde mich nicht noch einmal entwischen lassen.
Nein. Howell kam nicht infrage.
Ich musste hinauskommen, ohne gesehen zu werden.
In diesem Augenblick hörte ich, wie die Hintertür aufgestoßen wurde. Ich rannte. Oder besser gesagt, ich humpelte im Laufschritt quer durch die großen Räume, an den Toten am Boden vorbei. Durch ein Fenster in der Ziegelwand sah ich auf eine Wiese mit einer klapprigen Windmühle hinaus. Die erste, seit ich in Holland war. Ich zog mich zu dem Fenster hinauf und drückte es auf. »Halt! Sam Capra!«, tönte Howells Stimme wie aus dem Nichts. Ich hielt inne, auch wenn es wahrscheinlich ein Fehler war. Ich blickte zurück – er hatte eine Pistole auf mich gerichtet. Zwei Männer standen hinter ihm, die ebenfalls auf mich zielten.
»Runter von dem Fenster, Sam.«
»Sie war da«, sagte ich. »Lucy. Sie war gerade hier.«
»Weg von dem Fenster, dann reden wir darüber«, sagte er. Er wollte mich lebend.
»Sie werden mir ja doch nicht glauben«, erwiderte ich. »Ich weiß es. Sie war hier. Ich kam her, um eine Geisel zu befreien, die sie in der Hand haben, und Lucy ist bei ihnen. Sie hatten recht.
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