Todeslauf: Thriller (German Edition)
nicht für den Rest Ihres Lebens hinter Gitter müssen. Wir waren großzügig zu Ihnen. Gehen Sie zurück in die hübsche kleine Bar, seien Sie nett zu den Gästen und freuen Sie sich, dass Sie nicht kalte Suppe aus einer Holzschüssel essen müssen und jeden Tag geschlagen werden.«
Ich schüttelte den Kopf. »Ich träume von meinem Sohn«, sagte ich. »Steht das auch in Ihrer Akte, Howell? Ich träume von meiner Frau und meinem Kind, weil ich weiß, dass sie unschuldig ist und dass die zwei irgendwo da draußen sind und … Sie stehen mir im Weg.« Ich hörte das wütende Knurren in meiner Stimme, zum ersten Mal seit langer Zeit.
Er blieb unbeeindruckt. »Sie stehen sich selbst im Weg. Gehen Sie nach Hause, Sam. Machen Sie Ihren Job. Beim nächsten Mal werde ich nicht so milde sein. Im Büro ist darüber diskutiert worden, ob man Sie erschießen sollte, nachdem Sie versucht haben, sich gefälschte Papiere zu besorgen. Es könnte die Tat eines Verzweifelten, aber auch eines Schuldigen sein. Ich bin für Verzweiflung eingetreten, und zum Glück haben die anderen das dann auch so gesehen. Aber Verzweiflung lässt nach. Wenn Sie das noch einmal tun, sind Sie ein Schuldiger.«
»Das sind doch nur leere Drohungen, weil ihr mich nämlich hier draußen als Köder braucht«, erwiderte ich. »Ich durchschaue euch. Steckt mich doch wieder in die Zelle. Ich werde nicht einfach still dasitzen, Howell.«
»Gehen Sie nach Hause, und wir tun so, als wäre es nie passiert.«
»Das ist Ihr Lieblingsspruch, was? Es ist nie passiert. Aber den Kopf in den Sand zu stecken, liegt mir nicht.«
Howell drehte sich um und ging. Er zündete sich eine Zigarette an und blies verärgert den Rauch in die Luft.
Er irrte sich. Verzweiflung lässt nicht nach. Sie wird nur noch stärker. Ich sah ihm nach, dann stand ich auf und wählte die entgegengesetzte Richtung.
Ich nahm den Bus zurück nach Brooklyn. Ich machte mir nicht mehr die Mühe, eventuelle Beschatter abzuschütteln. Dadurch war ich viel schneller zurück. Ich ging zur Arbeit, hörte mir Ollies Geschichten an, die er mir schon gestern erzählt hatte, zapfte Budweiser und Harp, schenkte Limonade in Gläser ein und ließ die Stammgäste über ihre Probleme mit dem Chef, mit schwierigen Kunden oder mit ihrer Frau schwafeln. Als Ollie sich darüber beklagte, dass die letzte Lieferung Glenfiddich, die er bekommen hatte, unvollständig sei – es fehlte eine Kiste –, dachte ich schon wieder über einen Weg nach, wie ich aus diesem zweiten Gefängnis ausbrechen könnte.
12
August saß auf den Stufen vor dem Haus, in dem ich wohnte, als ich nach Hause kam.
»Ich hab Ärger«, sagte ich. »Du etwa auch?« Ich klang wie ein Fünftklässler, der beim Schuleschwänzen erwischt worden war.
Er sah auf die Straße hinaus, so als würde er auf der heimatlichen Farm den Blick über die Ebenen schweifen lassen. »Nach dem, was ich gehört habe, hat es keine Konsequenzen. Es ist nie passiert.«
»Eins muss man Howell lassen – er bleibt bei seiner Linie.«
»Ich denke, du hast Glück, dass du nicht tot bist. Du verdankst Howell eine Menge.«
»Ich muss diesem Mann nicht dankbar sein.«
»Ich hab jedenfalls keine Probleme deswegen bekommen, weil ich ja nicht gewusst habe, was du vorhattest«, sagte er achselzuckend. »Krieg ich ein Bier?«
»Du hättest in der Bar ein Bier trinken können.«
»Ich hab irgendwie keine Lust mehr, mir Ollies Vorträge anzuhören«, entgegnete August.
»Versteh ich. Komm rein.« Wir gingen in die Wohnung. Sie war nur spärlich mit den Gebrauchtmöbeln eingerichtet, die die Company vor meinem Einzug hineingestellt hatte. Ich öffnete den Kühlschrank und gab ihm ein kaltes Heineken.
»Du kannst nicht weglaufen, Sam«, sagte er, während er die kleine Dose öffnete.
»Das hättest du mir heute früh sagen sollen«, erwiderte ich.
»Du hast einen Riesenwirbel bei uns verursacht. Einige Leute wollten dich wieder ins Gefängnis stecken. Andere haben es als Beweis angesehen, dass du Dreck am Stecken hast. Howell hat sich für dich eingesetzt. Ich meine, du solltest das wissen. Du hast einen Freund außer mir, und das ist Howell.«
»Was ist Novem Soles? Howell hat mich danach gefragt. Es muss mit Lucy und dem Bombenanschlag in London zu tun haben.«
»Nie gehört. Und du solltest keine solchen Fragen stellen. Schon gar nicht heute, wo du froh sein kannst, dass du den Kopf noch mal aus der Schlinge gezogen hast.«
»Vielleicht ist das die Gruppe, die sie
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