Todeslauf: Thriller (German Edition)
hatte einen leichten libanesischen Akzent. Seine marineblaue Seidenkrawatte war perfekt geknüpft. Er hatte eine Tasse Kaffee vor sich stehen, die er offenbar nicht angerührt hatte. Trotz seiner makellosen Erscheinung sah man ihm an, wie es in ihm tobte.
»Erzählen Sie mir von Ihrer Tochter, Mr. Zaid«, sagte ich.
»Yasmin. Sie ist mein ganzer Stolz. Mein einziges Kind. Voriges Jahr hat sie ihr Studium in Chemie und Physik abgeschlossen. Sie ist fünfundzwanzig, ungefähr einen Meter siebzig groß. Ihr …« Er unterbrach sich abrupt, so als wäre ihm sein Wortschwall plötzlich selbst peinlich.
»Ja«, sagte ich, »aber all das kann mir Mila sagen. Erzählen Sie mir von ihr.«
Er blinzelte und klappte eine Aktenmappe auf, die er neben sich liegen hatte. Er schien sich zusammenzunehmen.
»Das ist Yasmin«, sagte Bahjat Zaid und schob mir ein Foto herüber.
Ich betrachtete es eingehend. Die junge Frau war schön mit ihrem schwarzen Haar und ihren strahlenden, wachen Augen. Sie trug einen hübschen blauen Pullover und Jeans, und der Himmel hinter ihr war grau und regenverhangen. Sie strich sich eine verwehte Haarsträhne aus dem Gesicht. Hinter ihr erstreckte sich ein großes Anwesen, die Bäume wiegten sich im Wind.
»Ein schönes Haus.«
»Mein Anwesen in Kent«, sagte er voller Stolz. »Es ist ein Haus von historischer Bedeutung. Es sollte als Zuflucht für die Regierung dienen, falls der Feind in England einmarschiert wäre. Es hat unterirdische Büros und einen Bunker, wo sich Churchill im Falle einer Besetzung durch die Nazis aufgehalten hätte. Das Haus ist seit vielen Jahren im Besitz der Familie meiner Frau. Wir haben ein Haus in London, aber wir leben gern in Kent. Yasmin hat sich dort auch sehr wohlgefühlt.«
Ich behielt meinen Gedanken für mich, dass Kent im Südosten Englands als Erstes besetzt worden wäre. »Das ist wirklich interessant«, sagte ich. Da waren noch mehr Fotos: Yasmin mit ihrer Familie, Yasmin mit den Hausangestellten, Yasmin auf einem Pferd, Yasmin beim Hochschulabschluss.
Das nächste Foto zeigte Yasmin als kleines Kind, wie sie von einem Buch aufblickte. Sie lächelte, die beiden Vorderzähne fehlten. »Sie hat sich immer für die Wissenschaft interessiert. Sehen Sie? Sie liest ein Buch über Madame Curie. Ich habe gleich erkannt, dass eine Position in einem meiner Unternehmen genau das Richtige für sie sein wird, und darum habe ich sie schon früh auf eine solche Karriere vorbereitet.«
Ich dachte mir: Sie haben über ihre Zukunft entschieden, als ihr noch die Vorderzähne fehlten? »Ihre Unternehmen?«
»Mr. Zaid ist einer der Partner von Militronics. Ein großes Unternehmen, das vor allem Geschäfte mit westlichen Regierungen macht«, erklärte Mila. Ich kannte die Firma; sie stellte militärische Ausrüstungsgegenstände verschiedenster Art her. Digitale Ferngläser, Nachtsichtgeräte, kugelsichere Westen und militärische Software und Hardware. Ihre Technologie galt als eine der besten weltweit; auch die Company gehörte zu ihren Kunden.
»Ja. Yasmin arbeitet in unserer Forschungsstätte bei Budapest. Es geht vor allem um Technologien zur Verteidigung: bessere Panzerungen, effizientere Waffen und Ausrüstung. Ihr Forschungsgebiet ist der Einsatz von Nanotechnologie auf diesem Gebiet.«
»Und seit wann wird sie vermisst?«
»Seit fünfundzwanzig Tagen.«
»War sie früher schon einmal verschwunden?«
»Nein. Nie. Sie war immer eine gehorsame Tochter.«
Gehorsam. Nicht unbedingt ein Wort, das man jeden Tag hörte. Jedenfalls nicht öfter als Nanotechnologie, und ich musste daran denken, was ich Howell über den Geldzaren erzählt hatte.
»Sie haben es nicht der Polizei gemeldet, dass sie verschwunden ist«, sagte ich.
»Nein, man hat mir gesagt, ich soll es nicht tun.«
»Eine Lösegeldforderung?«
»Nicht direkt. Yasmin hat am Freitagabend die Forschungsstätte in Budapest verlassen. Sie hat wie immer lange gearbeitet – sie ist sehr gewissenhaft, müssen Sie wissen.« Er schob mir einen Ausdruck über den Tisch zu; er zeigte ihren vollen Terminkalender, aus dem hervorging, dass sie neben ihrer Forschungsarbeit auch viel für ihre Weiterbildung tat. »Chinesisch lernen«, stand da unter anderem, oder »über Puccini-Opern nachlesen« und »Makroökonomie studieren«.
»Sie sehen, ihre Zeit ist gut eingeteilt. So arbeitet sie am besten, darum habe ich sie dazu angeleitet, und sie hat es gern übernommen.«
»Sie achten darauf, dass bei ihr alles nach
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