Todeslauf: Thriller (German Edition)
bewirken.«
Ich nahm das Foto von dem Bahnhof und starrte auf die Narbe des Mannes.
»Wie viele Sekunden hab ich noch von der Minute?«, fragte ich.
»Zehn.«
»Ja«, sagte ich.
23
Das Bestechungsgeld, das Mila wahrscheinlich gezahlt hatte, erfüllte seinen Zweck – die Schiffsmannschaft ließ uns jedenfalls in Ruhe. Das überraschte mich doch ein wenig; immerhin hatte ich einen von ihnen angeschossen.
Ich kam zu dem Schluss, dass Mila zu irgendeiner Regierungsbehörde gehörte, vielleicht einer Gruppe, die die Drecksarbeit am Rande der Legalität erledigte. Die Company konnte mich zwar nicht mehr brauchen, aber für eine solche Gruppe war ich offenbar doch der Richtige. Mila und ihre Kollegen hatten sogar Zugang zu bestimmten CIA-Informationen, während die Company nichts von ihnen wusste.
Mir war es egal, wer diese Leute waren, wenn sie mir halfen, Lucy zurückzuholen.
Und so hielt ich mich in meiner Kabine in Schuss – mit Klimmzügen und Auf-der-Stelle-Laufen. Außerdem konnte ich in Ruhe meine Gedanken ordnen. Aber nach drei Tagen in meiner Kabine hielt ich es nicht mehr aus, nicht nach den langen Wochen in einem polnischen Gefängnis. Also ging ich an Deck und joggte im strahlenden Sonnenschein zwischen den Containern. Die Männer der Schiffsbesatzung beobachteten mich. Ich winkte. Sie winkten nicht zurück.
Vor allem dachte ich darüber nach, wie ich den Typ mit der Narbe am besten finden konnte. Ich musste davon ausgehen, dass er mein Gesicht kannte. Das würde mein gefährlichster Job bisher werden, und ich musste ihn mit einer Verbündeten in Angriff nehmen, von der ich nicht wusste, ob ich mich auf sie verlassen konnte.
Als ich nach einem Containerstapel um die Ecke bog, sah ich Käpt’n Springmesser mit ein paar Kameraden beim Deckschrubben.
»Hallo«, sagte ich.
Er starrte mich überrascht an.
»Bist du okay?«, fragte ich auf Spanisch.
Er zögerte einen Augenblick, dann nickte er.
»Gut.« Ich ging nicht so weit, mich zu entschuldigen – immerhin hatte er mich mit dem Messer bedroht –, aber ich wollte keinen Ärger mehr mit dem Kerl. Wir würden noch ein paar Tage unterwegs sein, bis wir die Niederlande erreichten.
Ich joggte an ihm vorbei und sah mich nicht um. Jedenfalls bekam ich kein Messer in den Rücken. Ich fragte mich, wie viel Mila hatte hinblättern müssen, damit er die Sache vergaß, und warum sie bereit war, das Geld auszulegen.
Ich lag auf meiner Koje, als Mila anklopfte und hereinkam.
»Die Company hat Ihr Gesicht an alle Behörden in Europa und Asien geschickt. Sie erzählen ihnen, dass ein flüchtiger Krimineller Ihren Pass gestohlen haben könnte und damit irgendwo einreisen will.«
»Wenn sie mich suchen, glauben sie vielleicht, dass ich eine frühere Legende benutze.« Ich war schon als kanadischer Schmuggler und deutscher Geldwäscher in Erscheinung getreten, aber auch als amerikanischer Söldner, der schnelles Geld damit verdienen wollte, Blut-Diamanten zu bewachen. Die Leute, die hätten sagen können: »Das war er alles nicht wirklich«, waren entweder tot oder im Gefängnis. Die Legenden waren also immer noch intakt. Ich hatte zwar keine Papiere für diese Identitäten – keine Pässe oder Kreditkarten –, aber das konnte mir Mila besorgen. In der kriminellen Unterwelt kannte man diese Namen. Doch es war ein Risiko, sie zu benutzen, um die Gruppe des Kerls mit der Narbe zu infiltrieren. Möglicherweise hatte die Company meine alten Identitäten unbrauchbar gemacht; vielleicht erzählten sie allen Kontaktpersonen und Informanten, dass man mir nicht trauen könne. Oder was noch schlimmer wäre, sie warteten nur darauf, dass ich versuchte, in eine meiner alten Rollen zu schlüpfen.
Der einzig sichere Weg, um herauszufinden, ob die Legenden noch intakt waren, bestand darin, sie zu benutzen.
Ich gab Mila alle Informationen über meine alten Identitäten, und wir gingen in ihre Kabine, wo sie Kameras, einen leistungsstarken Drucker, Spezialpapier und einen Laptop hatte. Ein kleines Paradies für einen Fälscher.
»Also, was ist der erste Schritt, wenn wir ankommen?«
»Wir treffen uns mit Yasmins Vater in Amsterdam.«
»Mit ihrem Vater?«
»Mr. Zaid kann Ihnen mehr über Yasmin und ihre Entführung sagen.«
Mr. Zaid? War er Milas Chef? »Erzählen Sie’s mir.«
»Es ist besser, wenn Sie die Einzelheiten von ihm hören.«
»Was weiß er über mich?«
»Nur dass Sie ihm helfen können, seine Tochter zurückzuholen. Das ist alles, was er wissen
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