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Todesmal: Ein Fall für Ella Andersson

Todesmal: Ein Fall für Ella Andersson

Titel: Todesmal: Ein Fall für Ella Andersson Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elias Palm
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Zimmer war zwar nicht größer als zehn Quadratmeter, doch darin standen ein langer Schreibtisch vor dem Fenster und ein Sessel von Arne Jacobsen aus dunkelbraunem abgewetztem Leder in einer Ecke. An den Wänden hingen Schwarz-Weiß-Fotos aus unterschiedlichen Zeiträumen. Ella betrachtete sie genauer. Ihr Blick fiel auf ein Foto von zwei Männern, die einander umarmten. Sie lächelten breit in die Kamera. Ella blieb stehen und starrte auf das Foto, und plötzlich wusste sie, dass eine Analyse der Handschrift überflüssig war. Der eine Mann auf dem Foto war ihr Vater. Ihre Mutter besaß nach dem Brand nur noch wenige Fotos von Frederick, aber Ella hatte genügend gesehen, um ihn wiederzuerkennen. Allerdings war auf dem Bild irgendetwas anders als auf den früheren Fotos – abgesehen von der Tatsache, dass er einen Mann umarmte. Im Hintergrund stand ein großes prunkvolles Gebäude, das wie ein Tempel aussah. Sie schaute sich das Foto lange an und betrachtete den Mann neben ihrem Vater. War das Christopher? Er war genauso dunkelhaarig wie Frederick, aber etwas kleiner. Irgendwie kam er Ella bekannt vor. Vielleicht sah er ihrem Vater nur so ähnlich, weil er so dicht neben ihm stand. Die beiden strahlten förmlich vor Glück. Vielleicht war es gerade das, was den Unterschied zu den Fotos ausmachte, die Ella bisher gesehen hatte. Denn sie konnte sich nicht erinnern, ihren Vater auf einem einzigen Bild lächeln gesehen zu haben. War er denn nie glücklich gewesen, als er mit ihr und Judit zusammengelebt hatte? Auf einem anderen Foto waren die junge Marie und der Mann zu sehen, den Ella für Christopher hielt.
    Ihre Überlegungen wurden von dem Knarren der Eisentreppe unterbrochen, das ankündigte, dass Marie auf dem Weg zu ihr nach oben war. Sie gesellte sich mit leisen Schritten zu Ella, woraufhin sie gemeinsam stumm das Foto betrachteten. Schließlich brach Marie das Schweigen.
    »Ich hätte in dem Moment, wo ich Sie gesehen habe, begreifen müssen, dass Sie seine Tochter sind.«
    Ella begegnete ihrem Blick.
    »So ähnlich sind wir uns doch gar nicht«, antwortete Ella skeptisch.
    »Sie haben seine Augen. Dieselben mandelförmigen Augen«, antwortete Marie vage. »Aber vor allem«, fuhr sie fort, »haben Sie sich nicht verändert.«
    Ella schaute sie verständnislos an.
    »Sie waren auf den Fotos bestimmt nicht älter als fünf Jahre, aber Sie haben sich nicht sehr verändert.«
    »Hat mein Vater Ihnen Fotos von mir gezeigt?«
    »Ihr Vater war extrem stolz auf seine Eleonor und hat oft von Ihnen gesprochen.«
    Ellas Augen füllten sich mit Tränen. Sie spürte, wie sie herunterliefen und auf ihren Wangen brannten, als Marie ihre Hand nahm und sie zur Treppe führte. Ella drehte sich noch einmal um und betrachtete das Foto ein letztes Mal. Dann wand sie sich aus Maries Griff, kramte ihr Handy aus der Tasche und machte ein Foto von dem Bild. Schweigend verließen sie Christophers Wohnung. Als sie die Treppe herunterkamen und Ella an Maries Wohnung vorbeiging, brach Marie erneut das Schweigen.
    »Darf ich Sie auf einen Drink einladen?«
    Ella nickte. Sie sehnte sich danach, sich in ein warmes Bett zu legen, in dem sie am nächsten Morgen aufwachte und alles wieder gut wäre. Aber Alkohol würde fürs Erste als Ersatz wohl auch taugen, dachte sie.
    Marie führte sie in ihre vollgestellte Wohnung, wo sie sich auf eine rote Samtchaiselongue setzte. Ellas Auffassung nach erinnerte die kleine Wohnung eher an ein luxuriöses Bordell, das mit viel Samt, Federn und Lampen dekoriert war, die ein rotes Licht über die Einrichtung warfen. Marie mixte gewandt zwei Dry Martini, die stark genug waren, um einen kleineren Elefanten umzuhauen. Ella kippte ihren herunter, woraufhin Marie rasch eine Flasche Wein entkorkte und ihr ein Glas eingoss. Dann setzte sich die zierliche kleine Dame ihr direkt gegenüber in einen großen Sessel, in dem sie noch graziler wirkte. Sie nippte an ihrem Martini und begann zu erzählen. Ella saß stumm da und hörte ihr zu wie ein Kind, das zum ersten Mal einem Märchen lauscht. Vielleicht war es auch so etwas wie ein Märchen. Das Märchen, wie Christopher und Freddie sich kennengelernt hatten. Und wie sich von dem Tag an alles verändert hatte. Marie hatte Frederick anfänglich als einen weiteren Mann in der Reihe der Liebhaber betrachtet, die im Laufe der Jahre kamen und gingen. Denn Christopher besaß eine Tendenz, sie auszutauschen wie andere ihre Zahnbürste. Dennoch hatte sie gemerkt, dass diesmal

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