Todesmal: Ein Fall für Ella Andersson
alle Ewigkeit so leben«, sagte sie mit einem schiefen Lächeln.
Sie zog ihren Mantel aus, woraufhin der Umschlag zu Boden segelte. Markus runzelte die Stirn und wirkte etwas verletzt, als sie sich rasch hinunterbeugte und ihn aufhob. Er hatte den Brief offenbar falsch gedeutet und nahm nun an, dass auch sie ihm eine neue Bekanntschaft verheimlichte. Das stimmte zwar, aber die Art der Bekanntschaft entsprach keineswegs der, die er vermutete.
»Ich werde Mitte Februar ausziehen«, sagte sie und ging in die Küche.
Sie griff sich eines der Messer von der Magnetleiste an der Wand. Sowohl sie als auch Markus liebten ihre Messer, und sie mutmaßte, dass sie ihnen bei der Aufteilung des Hausrats den größten Kummer bereiten würden. Ella hatte Markus gegenüber oft betont, dass er bei seiner Arbeit lediglich Skalpelle benutzte, während sie es sowohl mit kleinen als auch großen, steifen und geschmeidigen Messern zu tun hatte und aus diesem Grund besser wusste, was ein gutes Messer auszeichnete. Ihr Lieblingsmesser in der Küche war das kleine, extrem scharfe mit der gebogenen, schmal zulaufenden Klinge. Es war eigentlich zum Schälen von Obst vorgesehen, aber dafür hatte sie es nie benutzt. Hingegen eignete es sich äußerst gut, um Verpackungen jeglicher Art aufzuschlitzen.
Ella öffnete den Umschlag mit einem einzigen Schnitt. Ein einzelnes Blatt Papier fiel heraus. Sie hob es auf und betrachtete es lange. Es war die Kopie der Buchungsbestätigung eines Fluges. Das Ticket schien für zwei Personen zu gelten, doch ein Name war vor dem Kopieren durchgestrichen worden. Der andere Name lautete John Westmark. Diesmal wusste sie sofort, um wen es sich handelte.
Das Ticket war auf den 14. Mai mit dem Reiseziel Mykonos ausgestellt. Die Buchungsnummer und der Name der Airline waren ebenfalls durchgestrichen, aber die Flugzeiten waren klar erkennbar. Sie mutmaßte, herausfinden zu können, welches Unternehmen um diese Tageszeit flog, um auf diese Weise den zweiten Namen auf dem Ticket in Erfahrung zu bringen. Vorsichtig steckte sie den Bogen wieder in den Umschlag und ging ins Badezimmer. Fünf Minuten später lag sie im dampfend heißen Badewasser und dachte über die außergewöhnliche Wohnung nach, deren Eigentümerin sie etwas unerwartet bereits zum Monatswechsel sein würde. Das winzige Bad würde sie wohl renovieren müssen, da bestand kein Zweifel, aber gar keine Badewanne zu besitzen kam für sie nicht infrage. Ihr fiel ein, dass in dem engen Bad immerhin eine Sitzbadewanne eingebaut war. Die müsste ausreichen. Solange sie mit dem überwiegenden Teil ihres Körpers im Wasser liegen konnte, war sie zufrieden.
Sie hatte nicht den blassesten Schimmer, wie sie die Wohnung möblieren sollte, aber sie freute sich darauf, die Einrichtung selbst auszusuchen und zu gestalten. Sie musste an die alte Frau namens Lovisa denken. Es wurde höchste Zeit für sie, eine Wohnsituation zu finden, wo sie betreut werden konnte. Nicht selten lösten die Gemeinden den Mangel an Plätzen in Seniorenheimen, indem sie mehrmals täglich eine Pflegekraft zu den alten Leuten nach Hause schickten. Ella schätzte, dass Lovisa zu der Sorte Frauen gehörte, die nicht gerne Hilfe von anderen annahm. In ihren Augen war es bestimmt unter ihrer Würde, nicht allein zurechtzukommen. Ella konnte sich noch immer nicht erklären, wie die alte Frau wissen konnte, wer sie war. Sie sah ihrer Mutter zwar ziemlich ähnlich, die wiederum die reinste Kopie von Grete war, aber dennoch. Lovisa hatte keine Sekunde lang gezögert, ihren ursprünglichen Namen zu nennen. Ihr kam der Gedanke, dass die Maklerin eine Suche im Bevölkerungsregister durchgeführt und dort auch den Namenswechsel erfahren haben könnte. Doch es erschien ihr eher unwahrscheinlich, dass die Maklerin Zugang zu diesem Register hatte, in das nicht einmal Ella Einblick hatte.
Das Klingeln an der Tür riss sie aus ihren Gedanken. Sie fuhr zusammen und setzte sich schnell im warmen Wasser auf, während Markus etwas in den Hörer des Türtelefons sprach, das Ella nicht verstehen konnte. Dann fiel ihr ein, dass Markus’ Bruder kommen und die nächsten beiden Tage bei ihnen übernachten wollte. Sie hatte immer noch Schwierigkeiten, Mattias nicht als Grünschnabel anzusehen, obwohl er bereits dreißig Jahre alt war. Sie sank wieder zurück ins Wasser und versuchte ihre Gedanken zu sortieren. Als sie hörte, wie sich die beiden Brüder lachend im Flur begrüßten, verspürte sie eine intensive
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