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Todesmal: Ein Fall für Ella Andersson

Todesmal: Ein Fall für Ella Andersson

Titel: Todesmal: Ein Fall für Ella Andersson Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elias Palm
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Sehnsucht nach einer Schwester oder einem Bruder. Oder zumindest nach irgendeinem Verwandten, dem sie sich emotional verbunden fühlte. Während ihrer Kindheit hätte sie einen Verbündeten gut gebrauchen können, um nicht völlig allein gegen ihre Sippschaft ankämpfen zu müssen. »Einzelkind«, sagte sie laut. Der Polizeitechniker, dessen Namen sie immer vergaß, hatte doch gesagt, dass John Westmark ein Einzelkind war, oder?
    Sie erinnerte sich daran, dass die Sekretärin erwähnt hatte, dass Johns Bruder angerufen hätte. Ella zog den Stöpsel aus der Wanne und blieb zusammengekauert noch liegen, bis das gesamte Wasser abgelaufen war. Irgendjemand suchte hinsichtlich des Falls John Westmark nach ihr. Jemand, der an Informationen interessiert war? Sie schüttelte den Kopf. Die Person, die nach ihr suchte, war nicht auf Informationen aus. Im Gegenteil, der Mann hatte ihr welche zukommen lassen.
    Dass der junge Mann eine Reise für zwei Personen auf eine griechische Insel gebucht hatte, würden wohl die meisten als ein Anzeichen für Zukunftspläne werten, mutmaßte Ella. Wenn man eine Reise bucht, ist man erwartungsvoll und trägt sich nicht mit Selbstmordabsichten, überlegte sie. Leider wusste sie aus Erfahrung, dass dies nicht immer der Realität entsprach. Statistisch gesehen kam auf zwanzig Selbstmordversuche nur ein vollzogener Selbstmord, aber viele der Selbstmorde, mit denen sie an ihrem Arbeitsplatz zu tun gehabt hatte, waren reine Impulshandlungen, die ohne jegliche Vorwarnung eintraten. Bestimmt existierte auch innerhalb der Zahl der Verkehrsunfälle eine hohe Dunkelziffer an Selbstmorden von Menschen, die bei guten Wetterbedingungen und Lichtverhältnissen unerwartet in einen entgegenkommenden Lkw rasten. In diesen Fällen entdeckte man nur selten irgendwelche Bremsspuren. Aber das Interessante war, dass jemand sie offenbar darauf aufmerksam machen wollte, dass es sich bei Johns Fall nicht um einen Selbstmord handelte. Jemand, der sich nicht traute, unter seinem richtigen Namen Kontakt zu ihr aufzunehmen. Sie seufzte, warf sich einen Morgenmantel über und stieg hinaus auf den kalten Steinfußboden.
    Sie traf die beiden Brüder mit jeweils einem Bier in der Hand im Wohnzimmer an. Mattias stand auf und umarmte sie. Obwohl sie wusste, dass er schon seit Langem aufgehört hatte zu wachsen, kam Mattias ihr jedes Mal, wenn sie sich begegneten, ein wenig größer vor. Er war an die 190 cm groß und somit zehn Zentimeter größer als sein Bruder Markus. Der ehemals so schmächtige Junge hatte nun ein wenig Fleisch auf den Rippen und sah inzwischen wie ein echter Kerl aus, dachte Ella und versank in seiner Umarmung.
    »Jetzt reicht’s aber«, rief Markus seinem Bruder lachend zu.
    »Aha, ich dachte, ich hätte jetzt freie Bahn«, konterte Mattias blitzschnell.
    Ella löste sich aus seinem Griff und zog ihren Morgenmantel enger um sich. Sie verspürte eine gewisse Erleichterung. Zum einen darüber, dass Markus seinem Bruder offenbar bereits von der Trennung erzählt hatte, und zum anderen, weil Mattias genauso entspannt mit ihr umging wie immer. Sie fläzte sich in einen von Markus’ modernen und unbequemen Ledersesseln und bekam ein kaltes Bier in die Hand gedrückt. Im Laufe des Abends kamen noch vier weitere hinzu, und sie verschwendete weder einen Gedanken an die Vergangenheit noch an ihre Arbeit. Ab und an spürte sie, wie Mattias sie beobachtete und dann schnell wegschaute, wenn sie sich ihm zuwandte. Seine Art, über sich selbst und seine Fehler lachen zu können, konnte Ella nur schwer mit seiner Arbeit als Rechtsanwalt zusammenbringen. Er beschäftigte sich zwar mit Immaterialgüter- und nicht mit Strafrecht, aber bei beidem handelte es sich zweifellos um eine seriöse Arbeit. Wenn Ella es richtig verstanden hatte, vertrat er Unternehmen, die der Auffassung waren, dass man ihre Ideen oder Werke, die urheberrechtlich geschützt waren, gestohlen hatte. Er redete nie besonders viel über seine Arbeit, sondern wechselte ganz selbstverständlich das Thema, sobald man darauf zu sprechen kam. In gewisser Weise war ihm gelungen, was sie selbst nicht schaffte. Er ließ seine Arbeit hinter sich, sobald er sein Büro verließ, während Ella immer das Gefühl hatte, sie müsse als Rechtsmedizinerin Andersson auftreten. Sie gelobte sich in diesem Punkt Besserung.

Kapitel 5
    Mit einem gewissen Gefühl des Unwohlseins aufgrund ihres Bierkonsums am Vorabend reagierte Ella genervt auf das eindringliche Klingeln des

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