Todesmal: Ein Fall für Ella Andersson
war aus ihr dennoch nie geworden. Pinot gris war vor gut fünf Jahren sein Lieblingswein gewesen. Damals hatte er sechs Flaschen eines Jahrgangs gekauft, die er lagern wollte. Ella fand, dass sie unverschämt teuer waren, und hatte kein Verständnis dafür, während Markus seinen Einkauf als Investition in zukünftige Genüsse rechtfertigte und Ella versprach, dass sie den Unterschied schmecken würde, wenn sie den Wein erst öffneten.
Als sie Markus vorhin in der Küche hatte stehen sehen, hatte sie das Gefühl beschlichen, dass es ihr letztes gemeinsames Abendessen wäre. Der Name der Traube war ihr in dem Moment eingefallen, in dem sie das Glas in die Hand gedrückt bekommen hatte, also lange bevor der Wein ihre Geschmacksnerven überhaupt erreicht hatte.
Ella entschuldigte sich und nahm ihr Weinglas und eine der Tüten von ihrer Shoppingrunde mit ins Schlafzimmer. Aus der bunt schimmernden Tüte zog sie ihren gewagtesten Einkauf. Es war ein kleines schwarzes enganliegendes Teil, das man sicher als Etuikleid bezeichnen konnte. Gestärkt mit einem großen Schluck Wein warf sie ihre Kleider von sich und streifte sich das Kleid über. Mit offenem Reißverschluss im Rücken betrachtete sie sich im Spiegel. Ella hatte keine Lust, einen der Männer um Hilfe zu bitten, und schaute sich irritiert nach einem geeigneten Hilfsmittel um. Schließlich nahm sie eines von Markus’ Jacketts vom Bügel und zog mit diesem vorsichtig den Reißverschluss hoch. Höchst zufrieden mit sich zupfte sie das Kleid vor dem Spiegel zurecht, woraufhin sie das Jackett wieder an seinen Platz hängen wollte.
Als sie sich streckte, um die Kleiderstange zu erreichen, nahm sie den Duft von Parfüm wahr. Ein Damenparfüm. Sie schloss die Augen und schnupperte intensiv am Stoff des Jacketts. Citrus, Geißblatt und noch etwas. Irgendetwas Bekanntes. Ein Duft, der Ella unweigerlich an Tod und Verwesung denken ließ, obwohl er angenehm war. Dann erinnerte Ella sich an die Vorliebe der Assistenten für diverse Duftsprays und seufzte resigniert. Lavendel. In Markus’ Jackett hing ein schwacher Geruch nach Citrus, Geißblatt und Lavendel. Ella runzelte die Stirn. Sie musste an die Frau mit der kleinen Stupsnase denken, die sie gemeinsam mit Markus gesehen hatte. Der Gedanke an Markus mit einer anderen Frau kam ihr gelinde gesagt ungewöhnlich vor. Sie hatte sich nie als eifersüchtige Frau betrachtet und beschloss, dass dies nicht der geeignete Zeitpunkt war, um neue Persönlichkeitszüge zu entwickeln. Dennoch hatte sie das primitive Bedürfnis, irgendwie ihr Revier zu markieren. Deshalb streifte sie ihr einziges Paar Schuhe mit hohem Absatz über, zog den Bauch ein und löste ihre Haare. Die Schuhe hatten ungetragen ganz hinten im Kleiderschrank gestanden, seit sie sie vor über fünf Jahren gekauft hatte.
Als sie auf etwas unsicheren Beinen in die Küche kam, pfiffen die beiden Brüder vor Entzücken durch die Zähne. Markus hatte seine Freundin noch nie in einem solchen Aufzug gesehen. Er blieb eine Weile stehen und betrachtete sie.
»Verblüffend.«
Das war alles, was er sagte, bevor er sich wieder seinen Vorbereitungen zuwandte und die Meereskrebse in ihrer Marinade wendete. Im nächsten Augenblick stolperte Ella über die Küchenschwelle und fiel haltlos nach vorne. Im Fallen sah sie erstaunlicherweise Bilder der Computertomographie von ihrer Nasenfraktur vor ihrem inneren Auge, doch anstatt auf dem harten Steinfußboden aufzuprallen, landete sie in den starken Armen von Mattias. Gedemütigt, aber mit heiler Nase dankte sie ihrem Retter und setzte sich an den Tisch. Es war wohl das Beste, wenn sie an diesem Abend den Herren das Kochen überließ, dachte sie. Als sich vor dem Küchenfenster die Dunkelheit um das Haus legte, konnte Ella ihr Spiegelbild vom Tisch aus betrachten. Vor ein paar Minuten hatte sie noch gedacht, dass das Kleid und das Make-up vorteilhaft wären, jetzt kam sie sich nur noch albern vor. Sie war fast vierzig, aber sie lief herum und benahm sich wie ein Teenager. Vergeblich suchte sie nach etwas, das sie als Haargummi verwenden konnte, um den Eindruck ihrer Eitelkeit etwas zu dämpfen. Dann merkte sie, dass Mattias sie von hinten betrachtete, ohne zu wissen, dass die Spiegelung im Fenster ihn verriet. Sie musste innerlich lächeln und nahm einen großen Schluck Wein. Ein wenig Eitelkeit tat der Seele dennoch gut, fand sie.
Die ambitionierten Brüder hatten ihre Einkäufe fürs Abendessen in der inzwischen einzigen
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