Todesmal: Ein Fall für Ella Andersson
Markthalle der Stadt getätigt. Wohl wissend, dass Ella Schalentiere liebte, luden sie zu Hummersuppe, gefolgt von Meereskrebsen, mariniert in Cognac und Knoblauch, ein. Die Wahl der Speisen und Getränke verstärkte Ellas Gefühl eines Abschiedsessens noch, doch sie beschloss, dass es keines werden würde. Sie nahm sich vor, Markus zu sich einzuladen, sobald sie sich in ihrer neuen Wohnung eingerichtet hätte.
Sie genossen zwei Flaschen des guten Pinot gris und tranken danach zwei weitere Flaschen einer bedeutend günstigeren, aber für ihre inzwischen abgestumpften Geschmacksnerven angemesseneren Sorte. Als Ella aufstand, um sich die Nase zu pudern, wie sie sich ausdrückte, standen die beiden Brüder ebenfalls auf, um zu zeigen, dass sie echte Gentlemen waren. Doch alle drei waren gezwungen, sich umgehend wieder hinzusetzen, als sie merkten, wie betrunken sie waren. Ella kam sich vor wie ein Teenager, als sie mit stolpernden Schritten ins Badezimmer wankte und sich im Spiegel betrachtete. Sie war glücklich. Vielleicht ein wenig stärker betrunken, als sie vorgehabt hatte, aber glücklich.
Sie streifte die Pumps mit den hohen Absätzen ab und schlich zurück zur Küche, blieb jedoch im Flur davor stehen. Sie konnte die verwaschenen Stimmen der Jungs hören, obwohl sie sich bemühten, leise zu sprechen. Unter dem Einfluss von Alkohol relativierte sich offenbar die Auffassung davon, wie laut man sprach, stellte Ella fest.
»Sie vermittelt mir einfach ein gutes Gefühl.«
Das war Markus, der auf eine Frage antwortete, die sie nicht mitbekommen hatte.
»Und dass sie nur mit Mühe und Not eine Tageszeitung lesen kann, ist für dich also kein Problem«, verhöhnte Mattias seinen Bruder.
»Jetzt sei doch nicht so gemein.«
»Du hast doch selbst gesagt, dass du ihr während des Essens neulich jedes zweite Wort erklären musstest«, fuhr Mattias fort.
Ella stand wie versteinert im Flur. Sprachen sie etwa über die Frau, mit der sie Markus gesehen hatte? Eine Welle der Eifersucht erfasste sie. Sie wollte am liebsten in die Küche stürzen und ihn ausfragen, sah jedoch ein, wie unangemessen es gewesen wäre. Stattdessen blieb sie stehen. Die Versuchung, die beiden weiter zu belauschen, war einfach zu groß.
»Du weißt eben nicht, wie es ist, mit einer Frau zusammenzuleben, die alles durchschaut.«
Markus zischte die Worte nahezu hervor.
»Sie ist irgendwie nie richtig zufrieden und entdeckt in allem, was ich tue, irgendwelche Fehler. Bei einem Essen mit Kollegen lacht sie nicht über schlechte Witze, und sie verachtet deren Frauen. Manchmal hab ich fast den Verdacht, dass sie eine langweilige Pedantin wird, nur um mich zu ärgern.«
»Eine langweilige Pedantin hab ich aber noch nicht gesehen, seit ich hier bin«, zog Mattias ihn auf.
Er musste laut lachen.
»Ich weiß! Ich erkenn sie ja auch kaum wieder«, rief Markus aus.
»Du bist einfach nur verletzt«, sagte Mattias schließlich.
»Ja, vielleicht«, antwortete Markus. »Ich sag ja auch nur, dass ich mich mit Johanna wohlfühle.«
Er verstummte.
»Und man darf auch nicht unterschätzen, wie wichtig das Gefühl ist, gebraucht zu werden.«
Mit einem Mal klang er ernst. Mattias’ Lachen erstarb, während Markus fortfuhr.
»Johanna bittet mich beispielsweise darum, ihr beim Zusammenschrauben eines Regals zu helfen oder den richtigen Videokanal im Fernsehen zu finden.«
Johanna, dachte Ella im Stillen. Sie sah die Frau vor sich. Nicht viel älter als fünfundzwanzig, mit Stupsnase und weizenblondem Haar. Ella sah vor sich, wie Johanna Kaugummi kauend eine Locke ihres goldenen Haars um ihren Finger zwirbelte, während sie in der Bauanleitung eines Ikea-Regals blätterte.
»Ella scheint mich ja ungefähr so sehr zu brauchen wie ein Fisch ein Fahrrad.«
Mattias lachte erneut auf. Ella hörte, wie eine Flasche Wein geöffnet und daraufhin ein Glas eingeschenkt wurde.
»Dir ist aber klar, dass es nicht gerade viele Frauen von Ellas Kaliber gibt? Und dennoch verlässt du sie wegen eines Teenies.«
Das war wieder Mattias’ Stimme. Ella wurde rot und spürte ihren Puls steigen. Ihr fiel auf, dass sie völlig die Zeit vergessen und keine Ahnung hatte, wie lange sie heimlich dem Gespräch der beiden Brüder gelauscht hatte. Sie wollte gerade in Richtung Badezimmer zurückgehen, um von dort wieder in der Küche aufzutauchen, als Markus’ Antwort kam. Seine Stimme klang dünn und traurig.
»Eigentlich war nicht ich derjenige, der sich getrennt hat.«
Die
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