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Todesmarsch

Titel: Todesmarsch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen King
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worden war.
    »Es ist zwanzig vor zehn«, antwortete McVries und lächelte - es war eine gespenstische Imitation seines früheren zynischen Grinsens. »Ich wünsche euch einen wunderschönen fünften Marschtag.«
    Stebbins nickte. »Was meinst du, Garraty, wird es den ganzen Tag regnen?«
    »Ich glaube schon. Es sieht jedenfalls danach aus.«
    Stebbins nickte noch mal langsam mit dem Kopf. »Das glaube ich auch.«
    »Na, denn kommt man rein, damit ihr nicht im Regen steht«, sagte McVries herzlich.
    »Danke. Sehr nett.«
    Sie gingen im Gleichschritt weiter, wobei jeder sich auf seine eigene Art von seinen Schmerzen gepeinigt nach vorn beugte.
    Als sie nach Massachusetts hineinwanderten, waren sie nur noch sieben: Garraty, Baker, McVries, ein kämpfendes, hohläugiges Skelett namens George Fiedler, Bill Hough -»das spricht man wie Haff aus«, hatte er Garraty bei früherer Gelegenheit erklärt -, ein muskulöser Kerl namens Milligan, der noch gar nicht so angegriffen wirkte, und Stebbins.
    Der Pomp und das Getöse von der Grenzüberschreitung verklang allmählich hinter ihnen, im Gegensatz zum Regen, der weiterhin eintönig vom Himmel tröpfelte. Der Wind heulte und zerrte mit der unerfahrenen Grausamkeit des jugendlichen Frühlings an ihnen. Er stieß den Zuschauern die Mützen von den Köpfen und jagte sie mit kurzen, heftigen Böen wie fliegende Untertassen über den verwaschenen Himmel.
    Vor einiger Zeit - kurz nachdem Stebbins ihnen seinen Vater offenbart hatte - hatte Garraty eine seltsame Leichtigkeit, ein sein ganzes Wesen erhebendes Gefühl gespürt. Seine Füße schienen sich auf einmal wieder daran erinnern, was sie einmal gewesen waren, und die Schmerzen in seinem Rücken und Hals hörten plötzlich auf, als ob sie im Augenblick betäubt worden wären. Es war, als kletterte er über die letzte, glatte Felsnase eines hohen Gipfels und käme aus den düsteren Wolken in den klaren Sonnenschein und in die dünne Höhenluft. Und von hier aus konnte man nur noch in eine Richtung gehen - nach unten. Und wenn man nicht aufpaßte, in rasender Geschwindigkeit.
    Das Panzerfahrzeug fuhr ein Stück voraus. Garraty beobachtete den blonden Soldaten, der auf dem hinteren Deck unter dem großen Armeeschirm hockte. Er versuchte all seine Qualen, diese ganze regentriefende Misere in die Männer des Majors hineinzuprojizieren, aber der Soldat blickte nur gleichgültig zurück.
    Garraty sah zu Baker hinüber und stellte fest, daß seine Nase blutete. Das Blut lief ihm über die Wangen und tropfte an seinem Kinn herunter.
    »Er wird sterben, nicht wahr?« sagte Stebbins leise.
    »Klar«, antwortete McVries knapp. »Bis jetzt sind sie alle gestorben - hast du das noch nicht bemerkt?«
    Ein heftiger Windstoß klatschte ihnen den Regen ins Gesicht, und McVries stolperte. Er erhielt eine Verwarnung. Die Zuschauer jubelten unbeeindruckt weiter, der Regen schien ihnen nichts auszumachen. Wenigstens hatte es heute weniger Feuerwerkskörper gegeben. Diesem Unsinn hatte der Regen Einhalt geboten.
    Die Straße führte um eine lange, steile Kurve, und Garratys Herz machte einen Satz. Milligan stieß ein leises: »Großer Gott!« aus.
    Die Straße verschwand zwischen zwei ansteigenden Hügeln. Sie war wie der Spalt zwischen zwei riesigen Brüsten, und diese Brüste waren schwarz vor Menschen. Die Leute schienen sich rechts und links von ihnen wie zwei lebendige Wälle eines tiefen, dunklen Schlunds aufzutürmen.
    George Fiedler erwachte plötzlich wieder zum Leben. Sein Totenschädel drehte sich langsam auf dem mageren, pfeifenstielartigen Hals. »Sie werden uns auffressen«, murmelte er. »Sie werden über uns herfallen und uns auffressen.«
    »Das glaube ich nicht«, antwortete Stebbins eilig. »Es ist noch nie vorgekommen, daß -«
    »Sie werden uns auffressen! Uns auffressen! Unsauffresssen! Auf! Auf! Auffressenauffressenauffressen -« Er drehte sich in einem großen Bogen um sich selbst und wirbelte seine Arme durch die Luft. Garraty fand, daß er wie eine verrückt gewordene Kampffigur aus den Videospielen aussah.
    »Auffressenauffressenauffressen -«
    Er schrie jetzt aus vollem Hals, aber Garraty konnte ihn trotzdem kaum hören. Der tosende Lärm von den Hügeln sauste wie Hammerschläge auf sie hernieder. Er hörte nicht mal die Schüsse, die Fiedler erledigten. Nur das wilde Geschrei aus der Kehle der Menge. Fiedler tanzte eine seltsame doch anmutige Rumba auf der Straße. Seine Füße stampften, sein Körper bog sich, seine

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