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Todesmarsch

Titel: Todesmarsch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen King
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Mutter ihm vorgelesen hatte, als er noch klein war. Es ging um ein Meermädchen, das eine Menschenfrau werden wollte. Das Problem war nur, daß es einen Schwanz hatte, aber eine gute Fee oder so was hatte ihm gesagt, daß es Beine bekommen könne, wenn es sie wirklich wolle. Doch jeder Schritt, den es an Land tun würde, würde so weh tun, als liefe es auf Messern. Wenn es sie jetzt immer noch wolle, könne es sie gern kriegen. Und das Mächen sagte ja, in Ordnung, und das war, in Kürze, die Geschichte des Marsches - »Warnung! Warnung für Nr. 47!«
    »Ja, ja, ich höre euch ja!« rief Garraty ärgerlich und ging schneller.
    Der Wald hatte sich gelichtet. Der nördliche Teil des Staates lag jetzt endgültig hinter ihnen. Sie waren noch durch zwei ruhige Provinzstädtchen gekommen, die von der Straße in zwei Hälften geschnitten wurden, und wieder hatte eine Menge von Zuschauern auf den Bürgersteigen gestanden. Doch die Leute waren kaum mehr als Schatten in dem diffusen, regenverhangenen Licht der Straßenlampen gewesen.
    Niemand machte sich die Mühe zu winken. Dazu war es wohl zu kalt. Zu kalt und zu dunkel und, lieber Gott, jetzt mußte er wieder eine Verwarnung ablaufen, und wenn das nicht eine 1 echte Gemeinheit war, dann wußte er es auch nicht.
    Seine Füße wurden von selbst wieder langsamer, und er zwang sich, schneller zu gehen. Weit, weit vorn sagte Barko-vitch etwas in die Dunkelheit und ließ gleich darauf sein unangenehmes Lachen vernehmen. Er konnte McVries deutlich antworten hören: »Hält's Maul, Killer!« Barkovitch sagte zu McVries, er solle zur Hölle fahren, und diesmal schien er sich über ihn wirklich aufzuregen. Garraty lächelte müde.
    Er war fast bis ans Ende der Gruppe zurückgefallen und machte sich nur zögernd klar, daß er sich wieder auf Stebbins zubewegte. Irgend etwas an Stebbins faszinierte ihn, doch er wollte nicht so genau darüber nachdenken, was es war. Es wurde langsam Zeit, das ganze Nachdenken aufzugeben. Es führte zu nichts. Und das war wieder eine echte Gemeinheit.
    Vorn tauchte ein riesiger Lichtpfeil in der Dunkelheit auf, der wie das Symbol eines bösen Geistes wirkte. Plötzlich fing eine Blaskapelle einen Militärmarsch zu spielen an. Dem Klang nach mußte es eine große Kapelle sein. Er hörte laute Jubelrufe. Die Luft war voller schwebender Teilchen, und einen verrückten Augenblick lang glaubte er, es hätte angefangen zu schneien, aber es war Konfetti. Sie kamen auf eine größere Straße, die rechtwinklig zu ihrer eigenen verlief, und ein weiteres Autobahnschild informierte sie, daß Oldtown nur noch sechzehn Meilen entfernt war. Garraty spürte eine Spur von freudiger Erwartung, vielleicht sogar Stolz. Hinter Oldtown kannte er die Strecke. Er hätte sie in seiner Handfläche aufzeichnen können.
    »Vielleicht bist du jetzt im Vorteil. Ich glaub's zwar nicht, aber vielleicht bist du es.«
    Garraty zuckte zusammen. Es war, als hätte Stebbins den Deckel von seinem Gehirn gehoben und hineingespäht.
    »Was?«
    »Es ist doch deine Heimat, oder?«
    »Hier oben noch nicht. Ich bin noch nie nördlicher als Greenbush gewesen, außer als wir zur Grenze gefahren sind. Aber da haben'wir einen änderen Weg genommen.« Sie ließen die Blaskapelle mit ihren feucht im Regen glänzenden Tubas und Klarinetten hinter sich.
    »Aber wir kommen doch durch deine Heimatstadt, oder nicht?«
    »Nein, wir kommen nur dicht dran vorbei.«
    Stebbins grunzte. Garraty sah auf seine Füße hinunter und stellte überrascht fest, daß Stebbins seine Tennisschuhe gegen ein Paar weiche Mokassins ausgetauscht hatte. Die Tennisschuhe hatte er in sein Flanellhemd gesteckt.
    »Ich spare sie mir auf«, erklärte Stebbins. »Für alle Fälle. Aber ich glaube, die Mokassins werden bis zum Ende halten.«
    »Oh.«
    Sie kamen an einem Sendeturm vorbei, der wie ein Skelett auf einem verlassenen Feld stand. Auf seiner Spitze pulsierte ein rotes Licht mit der Regelmäßigkeit eines Herzschlags.
    »Freust du dich darauf, deine Lieben zu sehen?«
    »Ja, das tue ich«, antwortete Garraty.
    »Und was geschieht danach?«
    »Danach?« Garraty zuckte die Achseln. »Ich werde weitermarschieren, denke ich. Es sei denn, ihr seid alle so rücksichtsvoll, vorher zu sterben.«
    »Oh, das nehme ich nicht an«, sagte Stebbins mit einem distanzierten Lächeln. »Bist du sicher, daß du hinterher nicht völlig fertig bist? Nachdem du sie gesehen hast?«
    »Mann, für mich ist überhaupt nichts mehr sicher«, antwortete

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