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Todesmarsch

Titel: Todesmarsch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen King
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Gewichtsabnahme verlängert zu haben. Seine Haut war aufgrund des Wassermangels schuppig geworden. Seine Augen waren tief in die dunklen Höhlen eingesunken, und das Haar flatterte wirr wie windzerzauste Maisfaden um seinen Kopf.
    Im Grunde ist er nur noch ein Roboter, nichts weiter als ein Automat. Kann da drinnen immer noch ein Olson stecken? Nein, der ist fort. Ich bin ganz sicher, daß es den Olson, der mit uns im Gras gesessen und über den Jungen gescherzt hat, der gleich auf der Startlinie erstarrt und erschossen worden war, schon lange nicht mehr gibt. Das hier ist nur noch eine tote Hülle.
    »Olson?« flüsterte er.
    Olson lief weiter, ein verfallenes Geisterhaus auf zwei Beinen. Er fing an zu faulen. Olson roch schlecht.
    »Olson, kannst du sprechen?«
    Olson schleppte sich vorwärts. Sein Gesicht war starr in der Dunkelheit, aber er bewegte sich. Ja, er bewegte sich. Irgendetwas war in ihm noch am Leben, etwas tickte noch da drinnen, aber - Was war das?
    Sie stiegen wieder einen Hügel hinauf. Garratys Atem wurde kürzer und kürzer, bis er nur noch wie ein Hund hechelte. Aus seinen feuchten Kleidern stiegen kleine Dampfwolken hoch. Unter ihnen lag ein großer Fluß wie eine silberne Schlange in der Dunkelheit. Das muß der Stillwater Fluß sein, dachte er. Er fließt nahe an Oldtown vorbei. Vereinzelte, halbherzige Zuschauerrufe, aber nicht sehr viele. Weit vorn sah er, gemütlich in die Flußbiegung eingebettet -vielleicht war es doch der Penobscott -, ein Nest von Lichtern liegen. Oldtown. Die beiden kleineren Lichtnester auf der anderen Flußseite mußten Milford und Bradley sein. Oldtown. Sie hatten es endlich geschafft.
    »Olson«, sagte er. »Das da vorn ist Oldtown. Die Lichter da gehören zu Oldtown. Wir haben es geschafft, mein Junge.«
    Olson antwortete nicht. Und jetzt fiel ihm plötzlich ein, was ihn die ganze Zeit so irritiert hatte. Es war eigentlich keine wichtige Beobachtung. Olson erinnerte ihn einfach an den Fliegenden Holländer, der immer noch weitersegelte, obwohl seine Mannschaft längst ertrunken war.
    Sie gingen den Hügel schnell hinunter, kamen durch eine S-Kurve und überquerten eine Brücke, die dem kleinen Hinweisschild nach den Meadow Brook überspannte. Auf der anderen Seite stand wieder ein Schild: STEILE ANHÖHE LASTWAGEN BITTE EINEN NIEDRIGEN GANG BENUTZEN. Mehrere Jungen stöhnten.
    Es war in der Tat ein steiler Anstieg. Wie eine Rodelbahn hob er sich vor ihnen in die Höhe, aber er war nicht lang. Trotz der Dunkelheit konnte man den Gipfel sehen. Dennoch: er war steil, sehr steil.
    Sie fingen an zu klettern.
    Garraty lehnte sich gegen den Hang und spürte fast sofort, daß seine Atmung ihn im Stich ließ. Wenn ich oben bin, hechle ich wie ein Hund, dachte er, und dann: wenn ich überhaupt oben ankomme. Seine Beine erhoben ein Protestgeschrei. Der Schmerz begann in den Schenkeln und arbeitete sich in die Waden vor. Seine Beine brüllten ihn an, daß sie diese Scheiße nun nicht länger mitmachen würden.
    Doch, das werdet ihr, erklärte Garraty ihnen. Oder ihr müßt sterben.
    Das ist uns egal/antworteten seine Beine ihm. Es ist uns egal, ob wir sterben, sterben, sterben...
    Die Muskeln wurden plötzlich weich, schmolzen wie Butter in der Sonne. Sie zitterten hilflos. Sie zuckten unkontrolliert wie schlecht geführte Marionetten.
    Links und rechts von ihm wurden Warnungen ausgeteilt, und ihm war klar, daß er bald genug selbst eine kriegen würde. Er fixierte seinen Blick auf Olson und zwang sich, mit ihm Schritt zu halten. Ja, sie würden diesen Killerhügel gemeinsam bezwingen, und dann würde er Olson dazu bringen, ihm sein Geheimnis zu verraten. Danach wäre alles in Ordnung. Dann brauchte er sich keine Gedanken mehr über Stebbins zu machen oder über McVries, Jan, seinen Vater, ja, er brauchte auch nicht mehr über Freaky D'Allessio nachzu-denken, der sich den Kopf an einer Steinmauer an der U. S.1 eingeschlagen hatte, so daß er nur noch wie ein klebriger Klumpen aussah.
    Wie weit waren sie? Dreißig Meter? Fünfzehn? Wie weit?
    Er keuchte jetzt.
    Die ersten Schüsse fielen. Er hörte einen schrillen Schrei, der von weiteren Schüssen erstickt wurde. Kurz vor der Hügelkuppe erwischte es noch einen. Garraty konnte in der Dunkelheit nichts sehen. Sein gequälter Puls hämmerte in seinen Schläfen. Es war ihm ziemlich egal, wer diesmal dran glauben mußte. Das war völlig unwichtig. Das einzig Wichtige waren die zerreißenden Schmerzen in seinen Lungen und seinen

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