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Todesmarsch

Titel: Todesmarsch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen King
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ziehst dir besser wieder ein T-Shirt über.«
    »Willst du mich auf den Arm nehmen?« lachte Scramm. »Das ist das Beste, was mir den ganzen Tag passiert ist.«
    »Das wird ein echtes Unwetter!« rief Parker vergnügt.
    Sie befanden sich auf einer leicht abwärts geneigten Hochebene und sahen den Regenvorhang, der aus den violetten Wolken auf den Wald niederprasselte, auf sie zukommen. Der Himmel über ihnen hatte eine giftiggelbe Farbe angenommen. Ein Tornado-Himmel, dachte Garraty. Wäre das nicht eine fantastische Sache? Was würden sie tun, wenn ein Tornado über die Straße gebraust käme und sie alle in einer wirbelnden Wolke aus Staub, flatterndem Schuhleder und herumsausenden Wassermelonenkernen in das Land Oz entführte?
    Er lachte, und der Wind riß ihm das Lachen sofort aus dem Mund.
    »McVries!«
    McVries lief eine Kurve, um ihn zu treffen. Er beugte sich gegen den Wind, der seine Kleidung vorn an seinen Leib preßte und sie hinten aufbauschte. Sein schwarzes Haar und die weiße, in sein gebräuntes Gesicht gezeichnete Narbe verliehen ihm das Aussehen eines leicht verrückten, wertergegerbten Hochseekapitäns auf seiner Kommandobrücke.
    »Was ist?« bellte er.
    »Ist in den Vorschriften eigentlich eine Regel für das Eingreifen Gottes vorgesehen?«
    McVries dachte nach. »Nein, ich glaube nicht.« Er knöpfte sich die Jacke zu.
    »Was passiert, wenn wir vom Blitz getroffen werden?«
    McVries warf den Kopf zurück und lachte. »Dann sind wir tot!«
    Garraty schnaubte verächtlich und ging weg. Einige Jungen blickten ängstlich zum Himmel hoch. Das würde kein kleiner Schauer wie der werden, der sie gestern nachmittag erfrischt hatte. Was hatte Parker noch gesagt? Ein Unwetter. Ja, das würde mit Sicherheit ein richtiges Unwetter werden.
    Eine Baseballkappe wirbelte ihm zwischen die Beine. Er blickte über die Schulter zurück und sah einen kleinen Jungen, der ihr sehnsüchtig nachblickte. Scramm fing die Kappe ein und versuchte, sie ihm zuzuwerfen, doch der Wind erfaßte sie sofort und trug sie in einem Bumerangbogen in die Bäume hoch, wo sie sich in den sturmgepeitschten Ästen verfing.
    Donner krachte los. Ein bläulich weißer Blitz zerriß den Horizont. Das angenehme Windsäuseln in den Kiefern hatte sich in hundert wahnsinnig heulende und johlende Geister verwandelt.
    Die Gewehre knackten. Im tosenden Sturm klangen sie wie kleine Spielzeugpistolen. In der Vorahnung, daß es Olson jetzt endlich erwischt hätte, fuhr Garratys Kopf herum, aber Olson war immer noch da. Seine am Körper flatternden Kleider ließen erkennen, wie ungeheuer schnell er an Gewicht eingebüßt hatte. Er hatte seine Jacke verloren, und seine Arme ragten mager wie Bleistifte aus den kurzen Hemdsärmeln hervor.
    Jemand anderes wurde von der Straße gezogen. Sein erschöpftes, totes Gesicht wirkte ganz klein unter der windzerzausten Haarmähne.
    »Wenn das Rückenwind wäre, wären wir um halb fünf in Oldtown«, rief Barkovitch vergnügt. Er hatte sich die Regenkappe tief über die Ohren gezogen, und sein kantiges Gesicht blickte verzückt und fröhlich in den Regen. Garraty verstand plötzlich. Er ermahnte sich, es nachher McVries zu sagen. Barkovitch hatte den Verstand verloren.
    Ein paar Minuten später hörte der Sturm plötzlich auf. Der Donner erstickte zu einem leichten Grammeln. Sofort fiel die Hitze wieder über sie her, diesmal feucht und nach der rauschenden Kälte des Windes unerträglich.
    »Was ist denn jetzt nun wieder?« brüllte Parker los. »Garraty! Versagt dieser gottverdammte Staat sogar bei seinen Gewittern?«
    »Ich glaube, du bekommst, was du dir wünschst«, antwortete Garraty geheimnisvoll. »Aber ich weiß nicht, ob du es auch wirklich willst, wenn du es bekommst.«
    »Ju-hu! Raymond! Raymond Garraty!«
    Garratys Kopf fuhr hoch. Einen fürchterlichen Augenblick lang glaubte er, es wäre seine Mutter, und Visionen von Per-cys Mutter wirbelten in seinem Kopf herum. Aber es war nur eine ältliche Dame mit einem zuckersüßen Gesicht, das unter einer Vogue-Illustrierten hervorspähte, die sie als Regenhut benutzte.
    »Alte Schachtel«, murmelte Baker an seiner Seite.
    »Ich finde, sie sieht ganz nett aus. Kennst du sie?«
    »Ich kenne den Typ«, antwortete Baker böse. »Sie sieht genau wie meine Tante Hattie aus. Sie ging immer auf Beerdigungen und hat mit demselben Lächeln dem Klagen und Jammern der Trauernden zugehört. Wie eine Katze, die einer Maus auflauert.«
    »Vielleicht ist sie die Mutter des

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