Todesmelodie: Ein neuer Fall für Julia Durant (Knaur TB) (German Edition)
letzten Satz mit einer blumigen Metapher in ihrer Muttersprache noch etwas Nachdruck verliehen hatte.
»Komm, Frank, wir verschwinden von hier«, sagte Julia zu ihrem Kollegen, der recht ratlos wirkte. Sie ging langsam zur Tür und drückte die Klinke hinab.
»Gregorio«, flüsterte es plötzlich, und wie versteinert hielt die Kommissarin inne. Sie wagte nicht, sich zu bewegen, und fürchtete beinahe, eine Halluzination gehabt zu haben. Doch da sprach die Stimme erneut, noch immer mehr ein leises Stammeln, aber wesentlich deutlicher als zuvor.
»Taubert. Gregor Taubert.«
Dann verlor Adriana Riva das Bewusstsein.
Samstag, 11.05 Uhr
V om Parkplatz der BGU hatte Frank Hellmer seinen Wagen auf die Friedberger Landstraße gesteuert, die sich mehrspurig in Richtung Innenstadt wand. Sie hatten den schlanken Wehrturm der Friedberger Warte passiert, hinter dessen rot-weißen Fensterläden man mit etwas Phantasie noch immer mit Bogen bewaffnetes Wachpersonal vermuten konnte. Danach die Abzweigung zum amerikanischen Generalkonsulat und schließlich den Hauptfriedhof. Anschließend waren sie an der Fachhochschule rechts in die Nibelungenallee eingebogen, eine Kreuzung, die Hellmer an normalen Wochentagen selbst zu dieser Zeit noch vermieden hätte. Doch der Samstagsverkehr hielt sich in Grenzen, vermutlich zog es die meisten Leute heute eher an die Badeseen anstatt auf die Zeil.
»Ziemlich doofe Idee eigentlich, den Peugeot in Fechenheim stehen zu lassen«, dachte Julia Durant laut. »Jetzt hab ich’s vom Revier nur einen Katzensprung bis nach Hause, und das Auto steht am anderen Ende der Stadt.«
»Kam mir auch schon in den Sinn«, pflichtete Hellmer ihr bei, »aber dir wäre andererseits eine nette Stadtrundfahrt mit mir entgangen.«
»Eine halbe Stadtrundfahrt, um genau zu sein.« Julia bedachte ihren Kollegen mit einem herausfordernden Blick und fügte hinzu: »Du wirst sie nachher natürlich noch abschließen und mich bei meinem Auto rauswerfen.«
»Nun …«
»Das war keine Frage!«
Der Parkplatz des Präsidiums war nicht einmal halb voll, und außer zwei rauchenden Uniformierten begegnete ihnen niemand. Schweigend stiegen Durant und Hellmer die Treppe hinauf und durchquerten den langen Gang, an dessen Ende ein einziges großes Fenster das Sonnenlicht aufsog. Ein Benjamini in einem schweren Pflanzenkübel stand mittig davor und schien sich mit seinen staubigen Blättern dankbar nach jedem Lichtstrahl zu recken. Die meisten Türen waren verschlossen, und aus den geöffneten hörte man kaum Geräusche. Alle Dienststellen waren nur mit dem wochenendüblichen Personalschlüssel besetzt, und auch die Schreibtische des K 11 standen zum großen Teil leer. Freundlich lächelnd nickte Durant Doris Seidel zu, die sich den Telefonhörer zwischen Ohr und Schulter geklemmt hatte und leise sprechend die Tastatur ihres PCs bearbeitete. Peter Kullmers Arbeitsplatz war leer, nein, eher verlassen, korrigierte Durant in Gedanken. Der Schreibtisch war dermaßen überladen mit Laufmappen und Papieren, dass der Begriff leer absolut unpassend gewesen wäre. Kullmer war der Mann fürs Praktische, nicht für die Bürokratie. Wahrscheinlich war er auch jetzt in Sachen Ermittlung unterwegs. Das schloss Durant aus der Anwesenheit von Doris Seidel. Wo sie war, da war auch Kullmer. Warum sollte ein Partner eine Extraschicht schieben, während der andere zu Hause wartete?
Auch Sabine Kaufmann war noch nicht zurück im Büro. Die erste Dienstbesprechung mit Berger würde demnach eine recht dürftige Zusammenkunft werden.
Berger erwartete die beiden Kommissare bereits und begrüßte sie mit einem stirnrunzelnden Nicken. »Hatte gehofft, Sie erst am Montag wiederzusehen.« Er sah müde aus, war nicht rasiert, und Julia war sich beinahe sicher, dass er dasselbe Hemd wie am Vortag trug.
»Ihnen auch einen guten Morgen«, erwiderte sie.
»Dito«, ergänzte Hellmer.
Mit einem Ächzen richtete Berger sich auf und schob einige Papiere zur Seite. Er nahm einen Kugelschreiber und den Schreibblock zur Hand und rückte die Schreibtischunterlage gerade.
»Hilft alles nichts, bringen Sie mich mal auf den neuesten Stand.«
Nach einem kurzen Blickwechsel mit Durant begann Hellmer mit seinem Bericht. Julia beobachtete Berger, der sich Notizen machte, und versuchte zu entziffern, welche Fakten er dabei besonders wichtig fand. Vor ihrem geistigen Auge ließ auch sie den Tatort, das Opfer und die Gedanken zum möglichen Tathergang Revue passieren. Die
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