Todesmelodie: Ein neuer Fall für Julia Durant (Knaur TB) (German Edition)
Seidel etwas irritiert. »Ich entnehme eurer Reaktion, dass die Beschreibung passt. Die Beamten haben einen Krankenwagen gerufen und befinden sich derzeit noch an Ort und Stelle. Südlicher Parkeingang, Ecke Wetteraustraße.«
Lapidar winkte Berger den bereits aufgestandenen Kommissaren zu. Julia Durant suchte noch einmal den Blickkontakt, teils, um zu verstehen, warum ihr Chef so schlecht aussah, teils, um ihn wissen zu lassen, dass sie bereit war, sich voll und ganz auf den Fall zu stürzen.
»Nun verschwinden Sie schon«, sagte er mit einem Zwinkern. Er hatte sie offenbar verstanden, und es war sicher nur eine Frage der Zeit, bis sie ihn auch verstehen würde.
Ein Jahr konnte man eben nicht innerhalb weniger Wochen aufholen.
Samstag, 12.24 Uhr
D ie Mittagssonne brannte erbarmungslos auf die Stadt hinab, und über dem Asphalt flimmerte die Luft. Zum zweiten Mal an diesem Tag warteten Durant und Hellmer an der großen Ampelkreuzung des Nibelungenplatzes, diesmal in Fahrtrichtung Bornheim. Die Klimaanlage hatte auf der kaum drei Kilometer langen Strecke keine Chance, eine erfrischende Wirkung zu zeigen. Unruhig rutschte Durant auf dem Ledersitz hin und her.
»Sag mal«, begann sie zögernd, und Hellmer sah zu ihr hinüber und zog die Augenbrauen hoch. Er kannte seine Kollegin besser als jeder andere, und Julia wusste das. Dennoch schien er nicht zu ahnen, was ihr gerade in den Sinn gekommen war.
»Na, was gibt’s?«
»Ich trau mich das jetzt kaum zu fragen, weil ich dich nicht in Verlegenheit bringen will«, druckste sie herum. Verzweifelt hatte sie in ihren Erinnerungen der letzten vier Wochen gekramt, doch keine Antwort, ja, nicht einmal verwertbare Anhaltspunkte gefunden.
»Mach’s nicht so spannend«, stöhnte Hellmer, der mittlerweile wieder die Ampel beobachtete. Gut, dachte Julia, dann halt raus damit.
»Früher, also ich meine vor der Geschichte im letzten Sommer«, begann sie, »hattest du hier doch immer eine Packung Zigaretten rumfliegen.«
»Oh Mann, das ist jetzt nicht wahr, oder?«
Mit einem Ruck fuhr Hellmer an und schüttelte energisch den Kopf. Es sah so aus, als hätte er sich am liebsten mit der Hand vor den Kopf geschlagen.
»Du wolltest doch, dass ich damit rausrücke«, verteidigte sich Durant. Es war ihr durchaus geläufig, wie heikel das Thema Sucht bei ihrem Kollegen war. Wie der Alkohol ihn und auch die Menschen um ihn herum zu zerstören gedroht hatte. Sie wusste außerdem, dass das gelegentliche unbändige Verlangen nach einer Zigarette sie wohl bis ans Lebensende begleiten würde. Hellmer hingegen hatte sie seit ihrer Rückkehr nicht ein einziges Mal rauchen sehen, und es lag ihr fern, seine vermutete Abgewöhnung zu torpedieren. Doch Hellmer reagierte vollkommen anders als erwartet.
»Im Handschuhfach sind welche, bedien dich nur. Und gib mir auch eine.«
Verblüfft fuhr Julia herum. »Wie jetzt? Ich dachte, du hättest aufgehört?«
»Im Leben nicht«, prustete Hellmer. Dann, wieder ernster, fügte er hinzu: »Auch wenn ich Nadine damit wohl sehr glücklich machen könnte. Aber ich hatte mich schon gewundert, dass du nicht rauchst …«
Ihre Blicke trafen sich, es war ein kurzer, sehr vertrauter Moment, wie Julia ihn in den ganzen Monaten vor ihrer Entführung nicht mehr mit Frank erlebt hatte. Dann lachten sie beide lauthals, und der Porsche machte einen gefährlichen Schlenker.
»Pass bloß auf, sonst muss die Tabakindustrie bald einen neuen Spruch auf die Packungen drucken: Unachtsames Rauchen kann zu schweren Verkehrsunfällen führen.«
Durant nahm den Zigarettenanzünder, hielt die orange leuchtende Spirale an die Spitze und sog kräftig am Filter, bis die Glut knisternd übersprang. Hellmer tat das Gleiche, jedoch um einiges schneller, da er gleichzeitig über die nächste Kreuzung manövrierte. Ganz schön affig eigentlich, dachte sie, dass die Kripo im Porsche aufkreuzt. Doch es hatte sich bei den Kollegen der Mordkommission eingebürgert, dass man bei Rufbereitschaft mit dem eigenen Wagen zum Tatort kam. Besser so, als wertvolle Zeit zu verlieren.
Hellmer trat auf die Bremse und lenkte den Porsche nach links in eine verkehrsberuhigte Zone. Langsam und von einem dumpfen Vibrieren begleitet, schlich das Fahrzeug etwa zweihundert Meter über das Kopfsteinpflaster.
»Sag mal, hast du dir Berger vorhin genau angesehen?«
Hellmer schien etwas verwundert über den Gedankensprung. »Wegen Dreitagebart und Knitterhemd meinst du?«
»Ja, auch. Aber so
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