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Todesmelodie: Ein neuer Fall für Julia Durant (Knaur TB) (German Edition)

Todesmelodie: Ein neuer Fall für Julia Durant (Knaur TB) (German Edition)

Titel: Todesmelodie: Ein neuer Fall für Julia Durant (Knaur TB) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Franz , Daniel Holbe
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sind Kinder, vierzehn, zwölf, wenn’s überhaupt reicht!«
    »Allerdings! Unfassbar, was bei manchen Kids so abgeht«, bestätigte Seidel. Julia Durant erinnerte sich ebenfalls. Als »Happy Slapper« wurden in der Regel Schüler bezeichnet, die ihre Gewaltexzesse gegenüber anderen, meist jüngeren Mitschülern per Handy aufnahmen und sich mit diesen Videos dann im Internet profilierten; und das alles geschah hier, direkt vor der Haustür, denn solche Videos entstanden nicht nur in L.A. oder irgendwelchen fernen Großstädten. Es gab sie auch in Frankfurt. Sabine Kaufmann räusperte sich.
    »Okay, ich mache jetzt aber wieder beim Thema ›Snuff‹ weiter, wenn’s recht ist. In einem Snuff-Porno wird also ein Opfer, das zunächst ahnungslos ist und daher meist freiwillig vor der Kamera agiert, im Laufe des Films überwältigt. Beim Sex gibt es da ja jede Menge Möglichkeiten, etwa durch Fesseln, Handschellen oder Ähnliches. Möglich ist natürlich auch ein spontanes Umschwenken des Täters, also zuerst Blümchensex und dann plötzlich Dominanz und Kontrolle. Das ist dann der erste Schlüsselmoment, eine sehr begehrte Szene, wenn das Opfer entsetzt feststellt, dass es überrumpelt wird und seinem Gegenüber nun ausgeliefert ist.«
    »Oh Gott«, klagte Doris, »ich ertrag’s bald nicht mehr, glaube ich.«
    »Es geht aber leider noch weiter«, sagte Sabine. »Dem fassungslosen Gesichtsausdruck, eventuell panischem Zappeln und dem Schrei nach Hilfe folgt die nächste Sequenz. Je nach Vorlieben des Täters und abhängig davon, ob er den Film für sich selbst oder für einen Personenkreis Gleichgesinnter anfertigt, folgen nun die verschiedensten Formen von Qual und Demütigung, seien es intime Folter oder abartige Sexpraktiken. Auch hier steht das Sexuelle im Vordergrund, denn Snuff-Täter gewinnen ihre Lust ja durch diese Form der sexuellen Dominanz und Kontrolle.«
    »Snuff-Konsumenten auch, richtig?«, kommentierte Kullmer.
    »Natürlich«, bestätigte Kaufmann.
    Julia Durant rieb sich angestrengt die Schläfen. In ihrem Kopf waren plötzlich Bilder erschienen, Erinnerungen, die sie im Moment überhaupt nicht gebrauchen konnte. Ein altes Gefängnis aus der napoleonischen Zeit, steile, ausgetretene Steinstufen, unten ein beklemmendes Gewölbe voller Zellen. Eine hochmoderne Schließanlage, schallgeschützt, videoüberwacht … Julia zwang sich, sich wieder aufs Hier und Jetzt zu konzentrieren.
    »Und irgendwann folgt das obligatorische Töten«, sagte sie schnell.
    »Richtig«, bestätigte Sabine. »Ich habe ein paar Videos gesehen, sicher waren auch Fälschungen darunter, aber eines ist sicher: Egal, ob nach fünf Minuten oder einer Stunde, es folgt eine weitere Szene, in der das Opfer erkennt, dass es sterben wird. Diesen Blick, diese Angst, diese panische Gewissheit – das kann niemand überzeugend spielen. Die Videoaufnahme eines Menschen, der sich von einem Moment auf den anderen seines unmittelbar bevorstehenden Todes bewusst wird, ist mit das begehrteste Material überhaupt. Und bevor jemand Einspruch erhebt: Ein zum Tode Verurteilter zählt nicht, ebenso wenig wie irgendwelche Massaker in Afrika. So zynisch das auch klingen mag: In Krisenregionen oder wenn man im Todestrakt sitzt, ist der Tod bereits gegenwärtig. In einem Schlafzimmer aber, womöglich eingelullt durch ein romantisches Vorspiel, ist es der größtmögliche Schock.«
    Einige Sekunden lang erfüllte betroffenes Schweigen das Konferenzzimmer. Julia war davon überzeugt, dass jeder ihrer Kollegen seine persönlichen Urängste hatte. Sabine Kaufmanns Vortrag wühlte nicht nur bei ihr die Emotionen auf. Doch eines war sicher: So deutlich wie bei Julia Durant lief das Kopfkino nirgendwo ab.
    »Scheiße«, flüsterte sie irgendwann. »Wie abgebrüht muss jemand sein, der sich selbst beim Vergewaltigen und Töten aufnimmt und das am Ende anderen zeigt.«
    »Na ja, es gibt ja Videoschnitt und so«, sagte Kullmer mit einem fragenden Blick zu Kaufmann. Diese bestätigte seinen Gedankengang, indem sie ihn fortsetzte.
    »Erstens das und zweitens ist beim Täter davon auszugehen, dass er Profi genug ist, um dem Fokus der Kamera nicht zu viel von sich preiszugeben. Vergesst nicht, so düster das auch klingen mag, der eigentliche Star eines Snuff-Videos ist das Opfer.«
    »Okay, ich denke, wir haben uns nun genug über die Materie informieren lassen«, sagte Julia, »vielen Dank, Sabine.« Sie lächelte ihrer Kollegin freundlich zu, blickte anschließend

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