Todesmelodie: Ein neuer Fall für Julia Durant (Knaur TB) (German Edition)
du damals nicht auch diesen Bericht gesehen, was ein einziger Geldschein im Laufe seines Daseins so alles mitmachen muss?«
Julia Durant erinnerte sich. Einer italienischen Untersuchung zufolge hatte man auf über neunzig Prozent der untersuchten Zwanzigeuroscheine Spuren von Kokain gefunden, für die Reporter ein Beweis, dass mit jedem der Scheine gekokst worden war. Doch wie sich in Nachfolgestudien herausstellte – teilweise waren dort hundert Prozent der Banknoten kontaminiert –, waren Zählmaschinen, Portemonnaies und Hosentaschen daran schuld, alle Orte nämlich, an denen die Spuren von einer Banknote zur nächsten weitergegeben wurden. Ungeachtet dessen wanderte ein Hunderter im Laufe von zwei Jahren durch fünfzig bis fünfhundert verschiedene Hände und legte dabei oft eine Reise quer durch Europa zurück; keine Chance also, eine verwertbare Spur zum Herkunftsland oder zu verdächtigen Personen zu finden.
»Du hast ja recht«, seufzte die Kommissarin. »Was macht denn die Fahndung in den hiesigen Hotels?«
»Kein Glück bislang«, berichtete Kullmer. »Wir haben Kontakt zu den britischen Behörden aufgenommen, da dürfte bis morgen früh etwas zurückkommen, ansonsten sind nun die ganzen kleinen Absteigen fällig, es sei denn, wir warten damit auch noch bis morgen.«
»Nein, dieser Sinclair ist unsere einzige Spur, da bleiben wir dran«, sagte Julia bestimmt. »Du könntest aber mal im Riederwald nachhaken, vielleicht ist der BMW ja auch dort jemandem aufgefallen. Soweit ich mich erinnere, gibt es in dem Viertel fast ausschließlich Quell- und Zielverkehr, da dürfte so eine dunkle Karosse mit fremdem Kennzeichen doch jemandem auffallen, oder?«
Kullmer grinste schief. »Meines Wissens nach geht der Großteil der Riederwälder aber arbeiten, anstatt den lieben langen Tag am Fenster zu hocken und argwöhnisch auf die böse Welt herabzublicken.«
»Na komm, sei doch froh. In unserem Fall hat uns deine neue Freundin im Vogelviertel doch echt weitergebracht«, stichelte Doris. Offensichtlich konnte sie es kaum erwarten, wieder mal rauszukommen, und wenn es nur eine Nachbarschaftsbefragung war. Julia ahnte, dass ihre Kollegin die Aussicht, für das restliche Jahr an den Schreibtisch gefesselt zu sein, weitaus mehr mitnahm, als diese zugeben würde.
»Überprüft erst einmal den Häuserblock von den Stieglers, also die unmittelbaren Anlieger. Und vergesst nicht, die Kinder zu fragen. Diese Mietwagen sind doch meist mit einigen Extras ausgestattet, für Kinder und Jugendliche jedenfalls genug, um zwei Mal hinzusehen. Ich bleibe noch ein Weilchen hier«, schloss die Kommissarin ihren Satz, »ruft einfach an, wenn sich etwas ergibt.«
»Hängen wir uns dran?«, fragte Hellmer mit einem schnellen Blick zu Kaufmann.
»Klar, wieso nicht«, nickte diese.
»Privatleben gibt es sowieso erst wieder, wenn wir die beiden gefasst haben«, schmunzelte Hellmer.
»Netter Versuch«, gab Sabine zurück. »Doch ich muss dich enttäuschen. Mir entgeht heute nichts außer einer Dusche und einem italienischen Salat, weißt du, ich bin nämlich beim ›Muli‹ auf den Geschmack gekommen.«
»Was natürlich mit dem netten Lieferanten rein gar nichts zu tun hat«, zwinkerte Hellmer. Sabine wollte sich gerade mit gespielter Empörung vor Frank aufbauen, da rief Julia: »Raus jetzt mit euch, ihr beiden!«
Als sie alleine im Besprechungszimmer war, nahm sie das Handy vom Tisch und überlegte kurz. Susanne oder Alina? Sie entschied sich für die Erste von beiden und suchte den entsprechenden Eintrag im Telefonverzeichnis.
»Salut, Julia!«, erklang nach wenigen Augenblicken die angenehme Stimme ihrer Freundin.
»Hallo, Susanne«, antwortete Julia leise. »Schön, dass ich dich gleich beim ersten Versuch erreiche.«
»Na, da klingt aber jemand ganz schön geschafft.« Wie so oft bewunderte Julia Susannes siebten Sinn. Andererseits war es bei ihrem Job wohl nicht schwer, mit dieser Vermutung ins Schwarze zu treffen. Trotzdem, Susanne hatte ein gutes Gespür.
»Wir stecken in einem üblen Fall, ich will’s auch gar nicht bei dir abladen, ich wollte nur mal wieder mit dir quatschen.«
»Das freut mich. Ich habe auch schon die ganze Woche dran gedacht, mich zu melden, aber du liest ja sowieso keine E-Mails.«
»Diese Woche war ich fast jeden Tag am Laptop«, sagte Julia schnell, »aber persönlich ist doch eh schöner.«
»Persönlich wäre es, wenn du deine Siebensachen packen würdest und hier runterkämst. Ich könnte
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