Todesmelodie: Ein neuer Fall für Julia Durant (Knaur TB) (German Edition)
aufgelöst im Arm der Kommissarin gekauert hatte. Ihr wurde schlecht.
Zehn Minuten später war die Besprechung zu Ende, und jeder der Anwesenden hatte eine oder mehrere Aufgaben zugeteilt bekommen. Alle außer Julia Durant.
»Warten Sie doch bitte einen Moment«, sagte Berger, als sie etwas verunsichert aufstand und sich in Richtung Tür wandte. Die Kollegen hatten das Büro längst eilig verlassen, nur Frank Hellmer trabte in diesem Moment noch gemütlich als Letzter aus dem Raum. Er hielt kurz inne und drehte sich fragend zu Berger um, dieser aber winkte ihn mit einem auffordernden Nicken weiter: »Ich meinte nur Frau Durant, Herr Hellmer. Bitte schließen Sie doch die Tür.«
Auffordernd deutete er auf den Stuhl, von dem sich Julia gerade erhoben hatte. »Auf ein Wort.«
Ein wenig verwundert schob Julia Durant den Stuhl einen Meter näher in Richtung Bergers Schreibtisch und nahm wieder Platz. Irgendwie hatte die Szene etwas Unwirkliches, beinahe so, als wäre sie ein Schulmädchen, welches zum Direktor zitiert worden war und nun vor dessen Pult auf ein Donnerwetter wartete. Obwohl Julia ihre Sturm-und-Drang-Zeit relativ unbeschadet hinter sich gebracht hatte, war ihr eine solche Situation keineswegs fremd. Andererseits hatte sie sich nichts vorzuwerfen, und Angst jagte Berger ihr nun wahrlich keine ein – dazu kannten und schätzten sie sich viel zu lange. Doch genau diese Vertrautheit machte die Atmosphäre im Raum auch irgendwie befremdlich.
»Na, was liegt denn an, Chef?«, fragte Durant kess und überspielte damit ihre Unsicherheit. Berger verzog keine Miene und beobachtete schweigend seine Fingerkuppen, während er langsam die Hände faltete.
»Ich wollte mal hören«, begann er, den Blick zur ihr hebend, »wie Sie so klarkommen.«
»Wie jetzt, den Fall meinen Sie?«
Vergeblich, ja beinahe hilflos suchte die Kommissarin nach Signalen im Gesicht ihres Vorgesetzten.
»Ja, den Fall meine ich«, nickte dieser leise. »Erzählen Sie doch mal.«
Julia rutschte kurz hin und her. Was soll das denn plötzlich?, fragte sie sich. Um noch etwas Zeit zu schinden, schlug sie die Beine übereinander und zupfte an ihrer Bluse. Als sie bemerkte, dass Berger jede ihrer Bewegungen geduldig beobachtete, räusperte sie sich.
»Ich weiß nicht, was Sie noch hören wollen. Wir haben doch eben alles durchgekaut.«
»Dann erzählen Sie doch mal ein wenig von sich selbst.«
»Von mir?«
Das ungute Gefühl wuchs. War der Alte jetzt unter die Seelenklempner gegangen? In den letzten zwölf Monaten hatte Julia weiß Gott genug Psychogequatsche über sich ergehen lassen müssen. Offensiv fügte sie also hinzu: »Sagen Sie halt, was ich Ihrer Meinung nach noch erzählen soll, mir fällt nichts weiter ein.«
Berger blieb ruhig, aber bestimmt, als er antwortete: »Mich interessiert, wie das alles für Sie ist, Frau Durant. Erster Außeneinsatz an einem Tatort, und dann gleich wieder in die Vollen, hm?«
»Daher weht also der Wind«, sagte Julia verärgert. »Wusste ich’s doch. Aber Fall ist Fall, Herr Berger, so war es doch schon immer, oder?«
»Verraten Sie es mir.«
Julia war sich nicht sicher, ob es Zweifel oder Mitgefühl war, das sich hinter dieser Frage verbarg.
»Nein, kommen Sie mal bitte auf den Punkt«, forderte sie. »Ich habe keine Lust auf irgendwelche Ratespiele. Ein junges Mädchen wartet in der Leichenhalle darauf, dass wir ihren Mörder schnappen. Oder gleich mehrere davon.«
»Das ist doch schon mal ein Anfang«, lächelte Berger. »Sie knien sich also voll rein, wie?«
»Natürlich. Die Schweine haben nichts anderes verdient, als baldmöglichst in der Zelle zu schmoren.«
»Sehen Sie, Frau Durant, und genau das ist der Punkt.« Berger wurde wieder ernst. »Nicht, dass ich Ihnen da nicht voll und ganz zustimmen würde. Sie müssen wissen, dass ich auf Ihrer Seite bin.«
Fühlt sich aber nicht so an, dachte Julia, sagte jedoch nichts.
Berger fuhr fort: »Ich habe ein ungutes Gefühl bei der Sache, nein, ich habe sogar konkrete Bedenken, dass das alles eine Nummer zu groß wird.«
»Zu groß für wen?«
Mit gerunzelter Stirn und verschränkten Armen musterte Julia ihren Chef, der es offenbar vorzog, um den heißen Brei herumzureden, anstatt eine klare Ansage zu machen. Sie ahnte längst, worauf er hinauswollte, fühlte sich aber weder in der Stimmung noch in der Pflicht, Berger zu Hilfe zu eilen. Wenn er meinte, dass sie mit dem Fall überfordert sei, dann sollte er das gefälligst auch
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