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Todesmelodie: Ein neuer Fall für Julia Durant (Knaur TB) (German Edition)

Todesmelodie: Ein neuer Fall für Julia Durant (Knaur TB) (German Edition)

Titel: Todesmelodie: Ein neuer Fall für Julia Durant (Knaur TB) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Franz , Daniel Holbe
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ansprechen. Schließlich bekam er das Chefgehalt und nicht sie, sollte er sich also ruhig mal entsprechend verhalten.
    »Frau Durant, mir ist schon klar, wie sehr Sie den Innendienst verabscheuen«, wagte Berger den Vorstoß, »aber Sie müssen auch meinen Standpunkt verstehen. Was meinen Sie wohl, wie mir die Innenrevision auf die Füße tritt wegen … dieser Sache letztes Jahr, na, Sie wissen schon.« Er druckste erneut.
    Na los, sag’s schon, dachte Julia nur und blitzte Berger an. Sag es mir ins Gesicht: Frau Durant, sehen Sie, der Holzer hat Sie in sein Verlies gezerrt und vergewaltigt, da sind Sie doch bestimmt nicht mehr objektiv, wenn es um so etwas geht.
    Berger sah sie mit aufeinandergepressten Lippen an und fügte dann leise hinzu: »Mann, verdammt, ich kann doch auch nichts dafür.«
    »Ich etwa?«, presste Julia hervor. Jetzt war es also draußen. Einmal Opfer, immer Opfer. Sie wollte am liebsten aufspringen und irgendetwas zusammentreten, den Stuhl vielleicht, oder am besten gleich mit dem Stuhl den Schreibtisch. Doch stattdessen vergrub sie, noch immer die Arme verschränkt, ihre Fingernägel schmerzhaft in ihre Rippen und biss sich auf die Zunge. Alles war plötzlich glasklar. Zwölf Jahre beim Frankfurter K 11, zugleich die besten Jahre ihres Lebens, lösten sich mit einem Schlag auf. All ihre Erfolge schienen mit einem Mal wertlos zu sein, denn irgendwo in den oberen Etagen des Präsidiums war man zu dem Schluss gekommen, dass eine malträtierte Frau nicht mehr in der Lage sei, im Bereich Gewaltdelikte zu arbeiten. Berger knackste mit den Knöcheln, eine Geste, die Julia schon lange nicht mehr gesehen hatte. Danach zog er einen Papierausdruck hervor, der ihr bekannt vorkam.
    »Hören Sie, Frau Durant, wir können an den Umständen nichts ändern. Keiner von uns beiden. Aber Sie sollten doch auch wissen, dass ich einen Teufel tun würde, Ihnen in den Rücken zu fallen.«
    Julia Durant schwieg.
    »Okay«, fuhr Berger fort. »Gehen wir das also mal ganz sachlich durch. Sie waren ein Jahr weg, und das aus gutem Grund. Sie haben die Beurlaubung selbst beantragt, haben für sich selbst erkannt, dass es höchste Eisenbahn für eine Auszeit war. Außerdem«, er warf einen Blick auf das Papier, »waren Sie bei einigen Psychologen, wie ich sehe.«
    Sie nickte wortlos.
    »Das sind eine Menge guter Gründe, um denen da oben nachzuweisen, dass Sie Ihr Trauma nicht unbearbeitet gelassen haben. Gut so weit«, lächelte Berger »Doch leider sind Sie dem Termin bei unserem psychologischen Gutachter bislang nicht nachgekommen, oder?«
    Nein, verdammt, bin ich nicht. Werde ich auch nicht. Wie lange soll ich mein Leben denn noch von Holzer dominieren lassen?
    Mit gefasster Stimme, die das wütende Zittern nicht gänzlich verbergen konnte, sagte sie: »Wie viele Seelenklempner muss ich denn noch über mich urteilen lassen?«
    Drei Wochen nach Julias Ankunft in Südfrankreich hatte Susanne Tomlin, die in Sachen Psychotherapie ja selbst einige Erfahrungen gesammelt hatte, einen sympathischen deutschsprachigen Psychologen empfohlen, den sie für qualifiziert hielt. Nach der ersten Sitzung, in der Julia unerträglich bohrende Fragen beantworten sollte und sich von ihm mit den Blicken entkleidet fühlte, war das Thema erledigt gewesen. Wiederum einige Wochen später hatten sie es mit einer weiblichen Alternative versucht, englischsprachig und eine ganze Portion jünger und attraktiver als Julia selbst. Auf Drängen von Susanne gab Julia ihr wenigstens zwei weitere Termine, um sich zu bewähren, schloss aber bereits innerlich ab.
    Den dritten und schließlich erfolgreichen Versuch hatten sie dann um Weihnachten gestartet. Nadia Sutter, Ende fünfzig, stammte aus Basel, war in der deutschsprachigen Schweiz aufgewachsen, hatte dort studiert und sich schließlich der Liebe wegen zu einem Umzug nach Genf entschieden. Nach dem frühen Tod ihres wohlhabenden Mannes hatte die ebenso gut Französisch wie Deutsch sprechende Psychologin ihr Domizil an die französische Riviera verlagert und dort nach einigen müßigen Jahren eine kleine Praxis eröffnet. Nach zwei Reinfällen zunächst misstrauisch, schließlich aber mit wachsendem Vertrauen hatte Julia Durant die wöchentlichen Sitzungen dazu genutzt, mit einer fremden Person, völlig außerhalb ihres vertrauten Personenkreises und weit weg von zu Hause, die schmerzhaften Ereignisse des vergangenen Sommers aufzuarbeiten: die Angstzustände in der schallisolierten Zelle, die

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