Todesmelodie
einer Buchhandlung gekauft – aber es handelt sich um das gleiche Buch, nicht wahr?«
Chad beugte sich vor und schaute auf den Titel, als John ihm das Buch entgegenhielt. »Ja, das ist es«, meinte er dann.
»Wo habe ich es gefunden?« fragte John.
»In Anns Bibliothek, wie Sie schon gesagt haben.«
»Und wo genau dort?«
»Auf dem Tisch neben ihrem Lesesessel«, erklärte Chad.
»Wissen Sie, wovon es handelt?« erkundige sich John, der den Text auf der Rückseite des Einbands studierte.
»Nein«, meinte Chad, »ich hab’ es nicht gelesen.«
»Es handelt von einem Mädchen, das seinen eigenen Tod fingiert und seinen Freund als vermeintlichen Mörder vor Gericht bringt.«
Ein Raunen ging durch den Saal, und Richter Warner schreckte hoch – er war kurz eingenickt. Die Geschworenen sprachen flüsternd miteinander, und Sharons Herz begann wild zu pochen. Was hatte das zu bedeuten?
»Das Mädchen in diesem Buch arrangierte es so, daß es schien, als sei es von einem Boot gestoßen worden und dann ertrunken«, fuhr John mit erhobener Stimme fort. »Sie täuschte ihre ganze Umgebung – aber sie machte einen Fehler: Sie vertraute ihren Plan einer Freundin an, und diese Freundin verriet sie.« John ging auf die Geschworene zu, die dem Zeugenstand am nächsten saß, und gab ihr das Buch. »Reichen Sie es ruhig herum, es ist eine sehr interessante Geschichte. Ich bin davon überzeugt, daß sie Ann gefallen hat. Sie hat sie doch gelesen, nicht wahr, Chad?«
»Ich glaube, ich hab’ sie mit dem Buch gesehen, aber ich kann’s nicht beschwören«, antwortete Chad.
John wandte sich von der Geschworenen ab und drehte sich wieder zu Chad um. »Dann lassen Sie es lieber, denn ihr Eid verpflichtet Sie, die ganze Wahrheit zu sagen. Aber bitte erklären Sie mir etwas anderes: Wann haben Sie angefangen, Ann die Grundbegriffe des Bergsteigens beizubringen?«
»Ein paar Monate vor ihrem Tod.«
»War es ihre eigene Idee, es zu lernen?«
»Nicht unbedingt. Ich hatte ihr schon jahrelang davon vorgeschwärmt.«
»Aber dann wollte sie plötzlich damit anfangen?«
»Ja«, erklärte Chad.
»War sie eine gute Schülerin?«
»Ja, sie kannte keine Angst.«
»Wann, sagten Sie, haben Sie Ann mit diesem Buch gesehen?«
»Darüber haben wir noch nicht gesprochen.«
»Aber wann war es?«
Chad zögerte, bevor er antwortete: »Ein paar Monate vor ihrem Tod.«
»Ich habe keine weiteren Fragen, Euer Ehren!« sagte John.
»Wünscht die Anklage den Zeugen noch einmal zu befragen?« erkundigte sich Richter Warner.
»Nein, Euer Ehren«, erwiderte Margaret Hanover.
Chad stand auf und kehrte zu seinem Platz zurück. John blickte Sharon an, und sie bedeutete ihm mit einer Geste, daß er zu ihr kommen solle, was er auch tat.
»Na, wie mache ich mich als Drachentöter?« wollte er wissen.
»Was machen Sie da? Das würde mich viel mehr interessieren«, flüsterte sie zurück.
»Das wirst du schon sehen«, sagte er und wandte sich um. Sharon packte ihn am Arm.
»Wollen Sie etwa behaupten, daß Ann gar nicht tot ist?« fragte sie.
John wurde augenblicklich ernst. »Es tut mir leid, wenn ich dich dazu gebracht haben, das zu glauben«, erklärte er.
»John?«
»Es tut mir leid!« wiederholte er.
»Wünscht die Verteidigung noch weitere Zeugen aufzurufen?« erkundigte sich Richter Warner.
John wandte sich von Sharon ab. »Ja, Euer Ehren. Die Verteidigung ruft Sergeant Rick Patterson vom Salt-Lake-City-Polizeirevier in den Zeugenstand.«
Der Sergeant war klein und untersetzt, und sein Hals war so dick und gerötet, als hätte er vor Jahren einmal Atem geholt und seitdem vergessen, wieder auszuatmen. Er trug keine Uniform.
Sharon hatte immer Schwierigkeiten, das Alter von übergewichtigen Menschen zu schätzen – er konnte vierzig oder auch erst Ende Zwanzig sein.
Sergeant Patterson ließ sich auf den Stuhl fallen, als hätte ihn der Weg vom hinteren Teil des Saales bis hierher vollkommen erschöpft. Sharon konnte sich beim besten Willen nicht vorstellen, warum er als Zeuge befragt wurde, und sie begann, sich über Johns seltsame Winkelzüge zu ärgern.
»Worin genau besteht Ihre Arbeit als Polizeibeamter?« fragte John den Sergeant nach dessen Vereidigung.
»Ich bearbeite Autodiebstähle«, erklärte Sergeant Patterson.
»Ist es korrekt, daß Beamte Ihrer Abteilung am dreiundzwanzigsten Juni, also eine Woche nach dem Tod von Ann Rice, im Sunset-Park einen gestohlenen Wagen entdeckt haben?«
»Ja, Sir.«
»Bitte erzählen Sie
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