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Todesmelodie

Todesmelodie

Titel: Todesmelodie Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christopher Pike
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lebend entdecken. Es war zwar klar, aber der Sommer war nicht mehr weit, und sie würde sicher nicht erfrieren.
    »Ich hab’s geschafft«, murmelte sie und ließ den Kopf nach hinten sinken, froh, daß es endlich vorüber war.
    Es war traurig – aber vielleicht hatte Ann Gott in ihrem kurzen Leben zu oft verflucht, und er war immer noch böse auf sie –, jedenfalls war die Nacht noch lange nicht vorbei…
    Ann hörte Schritte weiter unten am Ufer.
    »Fred?« rief sie.
    Es war unmöglich festzustellen, ob es sich um einen Mann oder eine Frau handelte.
    »Sharon?« murmelte sie.
    »Nein«, antwortete eine Stimme.
    CHAD!
    Ann reagierte schnell; sie sprang auf die Füße und hielt das Messer bereit; ihr Herz pochte wie rasend. Der Schatten blieb auf der zweitobersten Stufe stehen, und Ann hielt ihr Messer so, daß sie jederzeit zustoßen konnte.
    Dann plötzlich schien ein weißes Licht in ihren Augen zu explodieren, und sie war geblendet.
    »Ich hatte noch eine Taschenlampe, von der niemand wußte«, sagte Chad.
    »Mach es sofort aus!« schrie sie ihn an und versuchte, ihre Augen mit der Hand zu schützen, die das Messer hielt.
    »Gut«, sagte er, und das Licht ging aus. Die Dunkelheit hüllte alles ein, aber diesmal war die Finsternis voller weißer Pünktchen, von denen einer Chad war – nur konnte Ann nicht erkennen, welcher es war.
    »Komm bloß nicht näher«, rief sie.
    »In Ordnung.«
    »Ich bring’ dich um!«
    »Das glaube ich nicht!«
    »Ich schwör’s!«
    Zeit… sie brauchte Zeit – nur ein paar Sekunden! Ihre Augen würden sich an die Dunkelheit gewöhnen.
    »Vor einer halben Stunde konntest du es auch nicht tun!« sagte er.
    Ann trat blinzelnd einen Schritt zurück, horchte auf das Geräusch seiner sich nähernden Schritte und lauschte auf jede Veränderung in der Entfernung seiner Stimme. Sie mußte ihn nur noch einen Moment länger hinhalten, dann konnte sie sich auf ihn stürzen.
    »Findest du etwa, daß ich zu nett zu dir bin?« fragte sie mit gespieltem Selbstvertrauen. »Und was ist mit dieser häßlichen Wunde auf deinem Bauch?«
    »Die ist nicht sehr tief, Ann. Immerhin bin ich hier, oder?«
    Sie zögerte einen Augenblick. »Wie bist du hergekommen?«
    »Das tut nichts zur Sache!«
    »Aber ich hab’ die Brücke zerstört – wie hast du es geschafft?«
    »Das ist ein Geheimnis.«
    »Warst du schon vor mir hier?«
    »Nein.«
    Ein Zweig knackte.
    »Bleib da!« rief Ann und umklammerte den Griff des Messers.
    »Ich will mit dir reden, Ann!«
    Sie nickte; jetzt begann sie auch seine Umrisse zu erkennen: Er war der lange, vermischte Schatten in ungefähr drei Metern Entfernung. »Gut«, erwiderte sie, »wir können reden. Worüber willst du mit mir sprechen?«
    »Ich will dir nicht weh tun.«
    Ann schnaubte verächtlich.
    »Erzähl mir doch nichts!«
    »Ich will nicht, daß du leidest«, sagte er.
    Wenn ich sie nur umbringen würde, würde sie nicht leiden… Wer hatte das gesagt? Himmel, sie selbst war es gewesen.
    »Du willst mich nur umbringen«, antwortete sie bitter.
    »Ja.«
    Ann blinzelte wieder – und sah ihn: Er war nur noch eineinhalb Meter entfernt!
    »Halt«, rief sie. »Ich stoße dir das Messer ins Herz!«
    Er kam noch einen Schritt näher, und sie konnte ihn immer klarer sehen. Etwas war seltsam: Er schien tropfnaß zu sein! Aber das war unmöglich, er konnte nicht durch den Fluß geschwommen sein, das wußte niemand besser als sie!
    Ann warf einen Blick über die Schulter zurück und starrte ins Wasser, das etwa dreißig Meter unter ihr brodelte wie der Schaum einer brechenden Flutwelle. Chad trieb sie absichtlich auf den Fluß zu – wie klug von ihm! Er wollte dem Fluß die schmutzige Arbeit überlassen. Aber sie würde sein Spiel nicht mitspielen! Sorgfältig suchte sie mit den Füßen sicheren Halt.
    »Du hast Schmerzen«, meinte Chad mitfühlend.
    »Stimmt.« Sie zog das Messer zurück. »Aber nur deinetwegen!«
    Er machte noch einen Schritt vorwärts, und das Mondlicht fiel jetzt genau auf seine Augen, die groß und dunkel waren. Als er sie anblickte, schien ihr Glanz Ann in sich aufzusaugen, und eine Welle der Übelkeit überschwemmte ihren Körper.
    Auch wenn sie an jenem Abend nicht dort gewesen war, wußte sie doch, daß Chad so ausgesehen hatte, als er den Lauf seiner Waffe in den Mund ihres Bruders geschoben und abgedrückt hatte.
    Er hat mir nichts bedeutet, hatte er hinterher gesagt.
    »Ich liebe dich, Ann«, sagte er jetzt.
    »Ich liebe dich auch, du

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