Todesmut - Gardiner, M: Todesmut - N.N. (Jo Beckett 4)
als weiterzumarschieren.
Wohin waren Autumn, Lark und Noah von Ratner verschleppt worden? Hatte er vor weiterzulaufen, oder wollte er sie irgendwo verstecken? Und würde er alle drei am Leben lassen?
Vor ihrem inneren Auge sah sie Dustin, der mit einem schartigen Loch im Rücken auf der Wiese lag.
Schluss damit. Sie musste sich auf ihre Umgebung konzentrieren, musste auf Peyton aufpassen, musste weitergehen.
Als sich die Bäume lichteten und ein hellerer Dämmerschein zu ihr vordrang, registrierte sie es zunächst gar nicht. Doch es war tatsächlich so: Sie traten hinaus auf die Forststraße.
N ach der Nacht in der Schlucht war es, als wären sie auf den gelben Backsteinweg gestoßen. Vollkommen überwältigt hielt Jo an.
»Höchste Zeit«, ächzte Peyton. »Das ist ein gutes Zeichen, oder?«
»Wunderbar. Der erste Schritt auf dem Weg nach Hause.«
Der Morgenhimmel war fast völlig klar, und es herrschte eine geradezu gespenstische Stille. Mit äußerster Wachsamkeit schauten sie sich nach allen Seiten um und lauschten auf Geräusche aus dem Wald. Langsam folgten sie der Straße bergab, bis sie einen Aussichtspunkt zur Schlucht fanden. Ihr Atem dampfte in der Luft. Tief unten wütete der Fluss. Wolken zogen vorbei und verfingen sich an Höhenzügen und Kieferngruppen.
Die Überschwemmung ließ bereits nach. Graubraun und unruhig kehrte der Fluss im aschgrauen Zwielicht in sein Bett zurück. Überall an den Ufern, wo die Schlucht eng zusammenlief, waren Baumstämme und Felsbrocken verstreut.
Wie angewurzelt blieb Jo stehen. »O nein.« Es war, als würde ihr die letzte Kraft aus dem Körper gesaugt. In ihrem Hals bildete sich ein Kloß.
Aus der Brücke war ein großes Stück herausgerissen worden.
»Sie ist unpassierbar.« Auf ihre Schultern drückte plötzlich eine tonnenschwere Last. Sie wankte und hörte ein lautes Summen in den Ohren. Waren sie nach so vielen Mühen und Qualen nun doch am Ende? »Verdammt.«
Gabe spähte in alle Richtungen. »Es muss einen anderen Weg geben.«
Jo hatte das Gefühl, dass sich die Kälte durch ihre nassen Kleider fraß. »Nur noch eine Frage der Zeit, bis sie uns haben. Wir sind abgeschnitten.«
»Sie sind schon seit gestern Abend hinter uns her, und bisher haben sie uns nicht gekriegt.« Seine Stimme klang frostig. »Und daran wird sich auch nichts ändern. Irgendwie kommen wir hier schon weg.« Er war mindestens genauso erledigt wie sie, aber er wollte sich nicht geschlagen geben.
Sie presste sich Daumen und Zeigefinger in die Augenwinkel. Obwohl er gerade gesprochen hatte, spürte sie sein Schweigen jetzt wie einen Schlag in die Magengrube.
»Hab ich dich je im Stich gelassen?«, fragte er schließ lich.
Sie atmete tief durch. »Nie.«
»Wir kommen hier lebend raus.« Er warf Peyton einen kurzen Blick zu. »Wir alle.«
Mit einem Nicken nahm Jo seine Hand und drückte sie. Sie war so schwach, dass sie fast das Vibrieren in ihrer Tasche nicht gespürt hätte. »O mein Gott.«
Hastig zog sie ihr Handy heraus. »Ich hab ein Signal.«
Soeben hatte sie eine SMS bekommen. Grob wischte sie sich über die Augen und wählte 9-1-1. Verbindungsaufbau fehlgeschlagen.
»Nein.«
Sie rannte die Straße zurück, um wieder ein Signal zu bekommen. Ohne Erfolg. Während sie sich in alle Richtungen drehte und die Himmelsgötter anrief, ihr Gebet zu erhören, öffnete sie die SMS .
Sie kam von Evan Delaney. Die erste Zeile war ein Name.
DANE HAUGEN.
Schnell scrollte sie sich durch die Nachricht.
GEFAHR. Ragnarok Nummer auf Wylies Handy. Verbindung zu Haugen & Sabine Jurgens. Vermuten, dass sie Partygruppe entführt haben. Vielleicht haben sie auch Deputy angegriffen. DRINGEND MELDEN, 911 ANRUFEN.
Jo ging das Herz auf. Sie war aufgeregt, verwundert, dankbar. Sie hatte keine Ahnung, wie Evan diese Dinge herausgefunden hatte, aber es war eine Rettungsleine, ein dünner Faden der Hoffnung. Außerdem machte es ihr eine Wahnsinnsangst.
Als Gabe sich näherte, streckte sie ihm das Telefon hin. Er las die SMS , und sein Gesicht wurde hart.
Was hatten diese Informationen zu bedeuten? Jo versuch te, die Dumpfheit in ihrem Kopf zu vertreiben, um die Mo saiksteinchen zusammenzusetzen.
Haugen. Sabine. Ragnarok.
Die Telefonnummer von Ragnarok war im Verbindungsspeicher von Phelps Wylies Handy verzeichnet. Ebenso wie die von Ruby Kyle Ratner. Ratner hatte Wylie entführt und ihn hierhergebracht. Auf dieser Straße.
»Ruby Kyle Ratner – Kyle Ritter – hat Phelps Wylie ermordet«,
Weitere Kostenlose Bücher