Todesmut - Gardiner, M: Todesmut - N.N. (Jo Beckett 4)
Streifenwagen des Sherif f ’s Office von Tuolumne County die Forststraße hinauf. Im trüben Licht der einsetzenden Dämmerung reichte der Blick von Sheriff Walt Gilbert nur so weit wie seine Scheinwerfer. Vor seinem Auge entfaltete sich ein Bild der Verwüstungen, die das Gewitter angerichtet hatte: über die Straße geschleuderte Gesteinsbrocken und Schlamm, umgeknickte Bäume, eine Seite der Fahrbahn unterspült von riesigen Wassermengen, die nach dem Wolkenbruch abgeflossen waren. Behutsam kroch er voran, um nicht im Geröll stecken zu bleiben.
Dann gelangte er zur Lichtung. Sie war leer.
Nachdem er den Wagen abgestellt hatte, setzte er sich den Hut auf und stieg aus, um den ganzen Umkreis des Platzes abzuschreiten. Alles war ein einziges Sumpfloch. Mit tief einsinkenden Absätzen stapfte er zweihundert Meter weit den Wanderweg hinauf und wieder zurück. Schließlich setzte er sich wieder in seinen Wagen und nahm Funkkontakt zur Zentrale auf.
»Keine Spur von Ron und dem Pick-up der beiden Klet terer?«, fragte der diensthabende Beamte.
»Nichts.« Er spähte nach vorn zur Schlucht, wo sich die Forststraße hinauf in dichten Wald und steileres, gebirgigeres Gelände wand. »Ich fahre noch ein Stück die Straße hoch, vielleicht kann ich sie dort finden.«
Dann lenkte er den Wagen zurück auf die Forststraße. In seinem Herzen brodelte schwarze Finsternis.
Zehn Minuten später ließ er den Streifenwagen bergab zur Brücke rollen. Er musste anhalten, weil sie auseinandergebrochen war. Wild und braun vor Schlamm rauschte der Fluss vorüber.
J o drehte die Lautstärke des Walkie-Talkies höher. Gabe und Peyton drängten sich heran.
»Kitty-Kitty …« Ein unheimlicher Singsang in einer Tonlage zwischen Tenor und Alt.
»Hallo, Dane, hallo, Sabine. Hier bin ich. Wollt ihr eure Mäuse?«
»Das ist Ratner«, flüsterte Jo.
Schließlich meldete sich eine andere Stimme. Männlich, tief, gewählt – schauspielerhaft. »Ich möchte die Sache auf professionelle Weise beenden. Wenn du mitmachen willst, müssen wir uns treffen. Dann können wir zusammenarbeiten.«
»Haugen«, mutmaßte Jo.
»Schau dir diese Mäuse an«, antwortete Ratner. »Wie sie sich winden. Sie haben Hunger. Weißt du, was mit Mäusen in der Wildnis passiert? Sie werden zu Futter.«
Rauschen. »Es reicht. Drück dich deutlich aus.«
Die Singsangstimme ließ sich nicht erweichen. »Du zweifelst immer noch an mir. Ich bin am Boden zerstört. Hier, hör selber.« Leises Schluchzen. »Mach den Mund auf. Sag’s ihm.«
Kurz darauf war eine Frauenstimme zu hören, klar und deutlich. »Wir sind bei Kyle. Ich, Noah und Lark.«
Mit heftig pochendem Herzen blickte Jo zu Gabe. Sie waren am Leben.
»Ich will jeden Einzelnen hören«, sagte Haugen.
Knistern, dann sprach Lark: »Ich bin hier.« Zuletzt Noah: »Holloway.«
»Ist das nicht zum Totlachen?« Ratner.
Gedehntes Schweigen. »Also gut. Wir müssen uns einigen.«
»Hihi«, machte Ratner. »Ganz einfach. Fifty-fifty, sonst kriegt Daddy Reiniger kein Lebenszeichen. Wird nur sein kleines Mädchen und ihre Kumpels abgekratzt im Dreck finden.«
Jo fuhr sich mit der Hand über die Stirn.
»Na schön«, ließ sich Haugen vernehmen. »Dann treffen wir uns.«
»Fifty-fifty?«
»Ja, ich bin Realist.«
»Freut mich. Bleib, wo du bist. Zum Wann und Wo gleich mehr. Over.«
Das Walkie-Talkie verstummte.
»Er wird sie garantiert nicht lebend übergeben.« Gabes Stimme klang gequält. »Nicht alle drei. Vielleicht lässt er Autumn leben, bis sie mit ihrem Vater telefoniert hat. Aber die anderen …«
Jos Magen zog sich zusammen. Sie konnten hier ver schwinden. Solange Haugen und Ratner im Wald herumturnten wie Figuren auf einem Schachfeld, hatten sie und Gabe die Möglichkeit, sich ihrem Zugriff zu entziehen und zu verschwinden.
Vielleicht.
Aber eine echte Chance hatten sie nur zu zweit. Peyton war am Ende ihrer Kräfte, während sie und Gabe sich mit ihrer verbliebenen Ausdauer und Frische immer noch schnell auf unwegigem Gelände fortbewegen konnten. Sie konnten entkommen, aber nur wenn sie die anderen zurückließen.
Jo schnürte es die Kehle zusammen. »Ich weiß, wo sie sind.«
Gabes Augen wurden ernst. Er setzte sein Pokergesicht auf. »Die Mine.«
Sie nickte. »Wir haben keine Zeit, um zu fliehen und die Polizei zu holen.« Ihr Blick fiel auf das Walkie-Talkie. Es verfügte über keine Frequenz für die Polizei oder den Notruf. »Ratner oder Haugen, einer von beiden wird sie
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