Todesmut - Gardiner, M: Todesmut - N.N. (Jo Beckett 4)
kauerte sich am Ufer nieder und wusch sich das Gesicht.
Jo folgte ihm und hockte sich lässig neben ihm auf einen Fels. »Das war ganze Arbeit.«
Er blickte nicht auf. »Wir müssen diese Kids hier wegbringen. Wenn Noah nicht in ein Krankenhaus kommt, steht er das nicht durch. Er muss operiert werden.«
Und er brauchte Antibiotika, eine Bluttransfusion, ein warmes Bett.
»Alles in Ordnung mit dir?«, fragte Jo.
Er nickte. »Ich glaube, ich habe einen Muskelfaserriss in der Schulter. Und in der Seite einen Schnitt.«
»Höchste Zeit, dass du mir das erzählst.«
»Hat ja keinen Sinn, die anderen zu beunruhigen.«
Du Blödmann. Du tapferer, stoischer Blödmann.
»Setz dich sofort hin und steh ja nicht auf.« Eilig holte sie den Verbandskasten und kam zurück. »Runter mit dem Shirt.«
Mit einiger Mühe zog er es sich über den Kopf. Auf der hinteren Seite der Rippen hatte er einen langen Schnitt von einem Stück Metall oder einer Glasscherbe. Die Wunde war schartig, aber nicht tief. Nur sicher äußerst schmerzvoll.
Sie säuberte sie, schloss sie mit einem Pflasterzugverband, bedeckte die Rippen mit Mull und verklebte alles fest mit Fixiertape.
Dann gab sie ihm sein Shirt zurück. »Heute Abend nicht zum Tanzen, Sergeant.«
Er lachte nicht.
Sanft drückte sie ihm die Hand aufs Herz. Einen Moment drohten ihre Gefühle sie zu überwältigen. Sie kämpfte zwar dagegen an, aber er las es in ihrem Gesicht und schlang die Arme um sie.
»Gott sei Dank hat es dich nicht schlimm erwischt«, hauchte sie.
Er hielt sie fest. »Wir kommen hier raus.«
Sie nickte angespannt. Reiß dich zusammen. »Natürlich.« Sie blinzelte die Tränen weg und unterdrückte das Beben in ihrer Stimme. »Ich liebe dich.«
»Ich liebe dich auch.«
Er machte einen Schritt zurück, und sie wischte sich mit den Handballen die Augen. Nachdem sie langsam ausgeatmet hatte, sagte sie mit gesenkter Stimme: »Eine verrückte Situation.«
»Das ist eine starke Untertreibung. War das wirklich eine Entführung mit dem Ziel, Lösegeld zu erpressen?«
»Wer in Amerika ein Kidnapping gegen Lösegeld versucht, muss psychotisch oder ein unverbesserlicher Gewaltverbrecher sein.«
Nach dem Fall Lindbergh hatte das FBI Entführungen, aus denen finanzieller Profit geschlagen werden sollte, in den USA praktisch beendet. Dieses Verbrechen war so gut wie ausgestorben.
»Trotzdem«, meinte Gabe, »die einfachste Erklärung ist wahrscheinlich die richtige.«
»Stimmt. Ich möchte nur nicht die Möglichkeit ausschließen, dass da auch weniger klare Faktoren im Spiel sind.« Sie strich sich das Haar aus dem Gesicht. »Außerdem will ich nicht, dass mir diese Kids auf den Nerven rumtrampeln.«
Er legte ihr die Hände auf die Schultern. »Ganz ruhig. Sie sind jung, und sie haben Angst. Und sie sind keine Aliens. Autumn sieht fast aus wie Tina.«
Jo warf einen kurzen Blick zu Autumn: die flotte Mütze von den Marines, der goldfarbene Kaschmirpullover, die Lederstiefel. Trotz der Notlage hatte sie die unangreifbare Aus strahlung eines Alphatiers – als wäre sie die Königin aller Ballköniginnen.
»Autumn ist überhaupt nicht wie Tina.«
»Trotzdem, stell’s dir einfach vor. Das hilft dir, ihnen nicht den Kopf abzubeißen.«
Kyle beobachtete sie aus einiger Entfernung.
»Wie geht’s jetzt weiter?«
Vorsichtig schlüpfte Gabe wieder in sein Shirt. »Wir hauen ab. Aber zuerst müssen wir rausfinden, was hier eigentlich los ist.«
Er legte den Arm um Jo und näherte sich der Gruppe. »Wie seid ihr überhaupt hierhergekommen, ohne zu merken, dass eure Geburtstagsparty gekapert wurde?«
Jo hatte eine ganz andere Frage: Warum?
20
Mit dem Hündchen unterm Arm schlurfte Ruby Ratner in das schummrige Innere des Hauses. Evan folgte ihr.
Im Fernsehen lief eine Talkshow. Auf einem Fernsehtischchen lag ein Puzzle, an dem Mrs. Ratner anscheinend gerade arbeitete. Der Teppich roch nach Pepito.
Das Haus war vom Boden bis zur Decke dekoriert, als wäre Mrs. Ratner gerade einem Planwagen entstiegen. Auf dem Kaminsims war eine Sammlung von Tellern aufgereiht, die an die Serien Rauchende Colts und Bonanza erinnerten. Wie ein Erschießungskommando saßen überall in Regalen Porzellanfiguren: Paladin, Annie Oakley, Doc Holliday, die Gebrüder Earp, die Dalton-Bande. Über dem Kaminsims hing ein Malen-nach-Zahlen-Porträt von Chuck Connors in seiner Rolle als Lucas McCain in Westlich von Santa Fé . In der Küche baumelte eine Cowboy-Essensglocke. Sogar Mrs.
Weitere Kostenlose Bücher