Todesmut - Gardiner, M: Todesmut - N.N. (Jo Beckett 4)
dann kauerte sie sich hin und tauchte die Hände ins Wasser. Es war so kalt, dass es bis in die Arme hinaufzog. Sie wusch sich und spülte sich Dreck und Splitt aus dem Gesicht. Gabe folgte ihrem Beispiel. Dann krochen sie zurück in den Hummer. Jo zog die Jacke aus, kehrte die Innenseite nach außen und robbte neben Noah.
Er war unruhig, seine Augen glänzten vom Schmerz. »Wird es wehtun?«
»Auf jeden Fall.«
Er stieß ein verunglücktes Lachen aus. »Du hättest mich ja wenigstens anlügen können.«
»Es wird schmerzhaft sein, aber wir tun nichts, was zusätzlichen Schaden anrichtet. Das Einrichten der Fraktur ist einfach sicherer für dich.« Sie legte ihm die Hand auf die unverletzte Schulter. »Es dauert nicht lange. Danach schienen wir das Bein. Schaffst du das?«
»Ich muss ja.«
»Das ist die richtige Einstellung.«
Aus dem Fahrerabteil rief Lark: »Ich hab den Erste-Hilfe-Kasten gefunden.«
Sie kroch zu ihnen nach hinten. Ihre Miene war an gespannt. Sie strich sich staubig schwarzes Haar aus dem Gesicht und öffnete einen Kasten in der Größe einer Pausenbrotdose. »Pflaster und Verbandszeug, Jod, Fixiertape. Adrenalinspritze für Bienenstiche. Tylenol.«
Tylenol würde Noah kaum helfen, trotzdem hielt Jo den Daumen hoch. »Handschuhe? Antibiotika?«
Mit vorgebeugtem Kopf und zusammengekniffenen Augen starrte Lark in den Verbandskasten. Offenbar sah sie wirklich ziemlich schlecht.
Antibiotika gab es nicht, aber Latexhandschuhe. Hastig streiften Jo und Gabe sie über. Jo gab Noah zwei Tylenol. Dann packte sie Mull auf seine Schusswunde und stellte die Schulter ruhig.
Zum Glück hatten Noahs Jeans und die Sportsocke verhindert, dass sein Bein mit Erde und Schutt verschmutzt wurde. Die Wunde war sauber. Dennoch öffnete Jo eine Plastikflasche Wasser.
Sie beugte sich über Noah. »Ich muss die Verletzung ausspülen und desinfizieren. Du kannst Larks Hand halten.«
Noah nahm die Hand seiner Freundin. Jo ging neben seinem Knie in Stellung und goss erst Wasser auf sein Bein, dann Jod. Er stöhnte und wand sich. Sie hielt sein Knie fest, bis sie die ganze Flasche geleert hatte.
»Fertig. Jetzt muss ich meine Jacke unter dein Bein legen, damit die Verletzung sauber bleibt.«
Das Infektionsrisiko bei diesem Vorgehen war enorm, aber sie hatten keine andere Möglichkeit.
Gabe kauerte sich vor die Füße des Jungen. »Ich nehme jetzt dein Bein hoch, damit Jo die Jacke drunterschieben kann.«
Als er die Hände unter Noahs Wade führte und sie anhob, krümmte sich der junge Mann vor Schmerz. Schnell drückte Jo die Jacke darunter.
»Sehr gut. Das war der erste Schritt.« Gabe fühlte den Puls an Noahs Fußgelenk, um die Blutzirkulation zu prüfen. Er nickte – sie war in Ordnung. »Jetzt hol tief Luft.«
»Sie hat mir schon gesagt, dass es wehtun wird«, erwiderte Noah.
»Wie die Hölle, aber dafür ist es gleich vorbei.«
Jo hielt das obere Ende der Wade gleich unterm Knie. Gabe umfasste Noahs Knöchel und Fuß. Die unregelmäßig gebrochenen Knochen ragten durch die Haut.
Kräftig und kontrolliert zog Gabe an Noahs Bein. Der junge Mann erstarrte. Sein unverletztes Bein schlug wild aus. Jo konnte hören, dass er einen Schrei unterdrückte. Gabe unterbrach kurz, um zu testen und zu tasten. Dann zog er noch einmal, stärker, und die Knochen glitten zurück unter die aufgerissene Haut und die Muskeln.
»Gleich haben wir’s.«
Noah keuchte heftig. Mit dem Absatz seines unversehrten Beins trat er gegen das Dach des Hummers.
Vorsichtig machte Gabe weiter, bis die Knochenenden zusammenpassten. »Geschafft.«
Besorgt sah Jo Noah ins Gesicht.
Er war kalkweiß, und Tränen rannen ihm aus den Augen. Er japste nach Luft wie ein Fisch am Kai. »Das mach ich so schnell nicht wieder.«
Sie berührte ihn am Arm. »Du warst sehr tapfer.«
Wieder tastete Gabe nach dem Puls am Knöchel. Dann schienten sie das Bein von oberhalb des Knies bis zum Fuß und benutzten dafür die Kartonverpackung von zwei Kisten Heineken und eine Rolle Fixiertape. Zuletzt lagerten sie es hoch, um die Schwellung zu vermindern.
»Super durchgehalten, Mann«, sagte Gabe.
Schließlich krochen er und Jo wieder durch das Fenster hinaus. Die Schatten waren tiefer geworden, der Wind hatte weiter aufgefrischt. Gabe wischte sich mit dem Handrücken über die Stirn. Die Rückseite seines T-Shirts war gesprenkelt mit Schweiß und Blut.
Dustin, Autumn und Peyton näherten sich, aber Gabe hob abwehrend die Hände. »Nur eine Minute.« Er
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