Todesmut - Gardiner, M: Todesmut - N.N. (Jo Beckett 4)
Nackenhaare auf.
»Da schreit jemand.«
38
Der Hengst schlitterte den Hang hinunter und wurde immer schneller. Jo tauchte im Sattel nach vorn, Autumn glitt den schweißnassen Hals des Pferdes hinauf.
»Ich rutsche ab«, rief sie.
Aus der Nähe hörte Jo das laute Rauschen des Flusses. Der Hengst riss die Vorderläufe hoch, um einem Baumstamm auszuweichen.
Jo verlor das Gleichgewicht. »O nein. Spring ab!«
Das Pferd katapultierte sich auch mit den Hinterbeinen über das Hindernis, und Jo und Autumn wurden abgeworfen.
Schon beim ersten Sturz hatte sie sich blaue Flecken eingehandelt, und diesmal ging es ihr nicht anders. Kopf einziehen und abrollen.
Feuchte Kiefernnadeln und weiche Erde bewahrten sie vor Schlimmerem. Sie knallte auf den Hang, dass es ihr den Atem verschlug, so als wäre sie gegen eine Tür gerannt, dann schlitterte sie, ohne abzuprallen oder sich zu drehen, die Schräge hinunter.
Sie hörte, wie Autumn neben ihr in der Dunkelheit hinunterpolterte. Irgendwann wandte sie das Gesicht nach unten und krallte die Finger in die Erde, als wären sie Eispickel, um nicht weiter abzurutschen.
Dann krachte sie mit dem Rücken gegen einen Baumstamm und wurde ruckartig abgestoppt.
Auch Autumn prallte dumpf auf ein Hindernis. Aus der Finsternis kam ihre Stimme. »Mist.«
»Alles in Ordnung?«
Nach einer kurzen Pause raffte sich Autumn auf. »Und diesen Gaul nennst du Faithful?«
»Nicht, wenn er jetzt ausbüchst.« Ächzend schob sich Jo auf ein Knie. »Verdammt.«
Sie war voller Dreck und zitterte. Wenn sie schon einen Steilhang hinunterrutschen musste, dann lieber auf einem Snowboard. Wankend kletterte sie über den Baumstamm und entdeckte das Pferd, das drei Meter entfernt stand und aus einer Stelle am Fluss trank, wo sich das Wasser gesammelt hatte. Sein Schwanz peitschte träge nach unten.
Jo hinkte hinüber und packte die Zügel. Eisige Regen nadeln zogen über ihr Gesicht. Plötzlich hörte sie spritzende Schritte, die den Fluss durchquerten, und riss den Kopf hoch.
In diesem Augenblick teilten sich die Wolken vor dem Mond. Ein Stück flussaufwärts rannte Gabe direkt auf sie zu. Er hatte ein Stück Metallrohr in der Hand, das er tief hielt wie ein Katana.
Als er sie sah, öffneten sich seine Lippen. Seine Augen leuchteten fiebrig.
Jo humpelte zu ihm. »Wir müssen alle weg hier. Ein neues Problem.«
Er erreichte das Flussufer. »Wo ist Autumn?« Seine Stimme klang scharf, als stünde er unter Strom.
»Hier.« Mit wehendem Haar trat Autumn zwischen den Bäumen hervor.
Jo packte Gabe an den Armen. »Dustin ist tot. Kyle hat ihn umgebracht.«
»O Gott.«
»Er ist mit einer Schrotflinte bewaffnet. Wir müssen abhauen. Sofort.«
Er schlang ihr den Arm fest um die Schulter. Der Wind fegte über den Fluss. Sie hielt die Zügel fest und winkte Autumn wieder in den Sattel. Als sie sich selbst hinaufzog, spürte sie einen scharfen Schmerz im hinteren Oberschenkel. Anscheinend hatte sie sich bei dem Abwurf tief im Muskel etwas gezerrt. Sie schwang das Bein auf die andere Seite und ließ sich nieder. Erst jetzt erkannte sie, was Gabe in der Hand hatte: kein Rohr, sondern eine Lenkradsperre. Nicht schlecht.
Er versetzte dem Pferd einen Klaps auf den Hintern. »Los. Ich laufe zu Fuß rüber, wo es seicht ist.«
Jo schnalzte und trieb den Hengst mit den Hacken ins Wasser. Die feuchte Luft um sie herum schien gesättigt mit Kälte. Als sie spürte, wie das Flussbett sich nach unten neigte, ließ sie das Pferd mit vorsichtigem, gleichmäßigem Tempo dahinschreiten und von links nach rechts wippen, um Schwankungen auszugleichen. Große, gleichmäßige Schritte mit rollenden Hüften. Das Rauschen des Wassers wurde lauter.
»Heb die Füße hoch, Autumn, damit sie trocken bleiben.«
Autumn zog die Knie hoch und drückte sie an Faithfuls Hals.
»Wenn wir beim Wagen sind, sag Peyton und Lark, dass wir sofort alle Überlebensvorräte zusammenpacken müssen. Und schaut euch nach was um, womit wir Noah transportieren können. Ein Mantel, eine Plastikplane, irgendwas.«
Vielleicht konnten sie eine Stangenschleife bauen. »Ansonsten müssen wir ihn aufs Pferd setzen.«
Inzwischen wirbelte das Wasser um den Bauch des Hengstes. Jo zog die Füße aus den Steigbügeln. Die Hufe klackerten gegen Steine auf dem Grund. Behutsam lenkte sie ihn voran, bis es wieder aufwärts ging und sie das felsige Ufer erreichten.
Jo sprang ab. Ihr Körper schien nur noch aus Schmerz und Kälte zu bestehen.
Autumns Stimme
Weitere Kostenlose Bücher