Todesmut - Gardiner, M: Todesmut - N.N. (Jo Beckett 4)
blitzten im matten Schein der Nacht.
Dann hob Kyle das Kinn. Seine Augen fingen den weißen Schimmer des Mondes auf, bevor sich die nächste Wolke davorschieben konnte. Unaufhörlich klatschte Von der Regen ins Gesicht. Der Ausdruck in Kyles Augen gefiel ihm nicht. Überhaupt nicht. Eine Iris schien weiß zu glänzen.
»Wo ist Dane?«, erkundigte sich Kyle.
Wie heiße Nadelstiche spürte Von die Tropfen auf der Haut. Friedrich, dieser Arsch. Warum hatte er in der Limousine Haugens Namen erwähnen müssen? »Wer?«
»Hmm.« Kyle schaute zu Boden und schüttelte den Kopf, als wäre er bitter enttäuscht.
»Lass mich runter. Ich tu dir nichts.«
»Da, wo du jetzt bist, kannst du mir auch nichts tun. Hängst da oben und windest dich wie eine Käferlarve – nein, du tust mir bestimmt nichts.« Kyle nahm das AK -47, das am Baum lehnte, und schleuderte es hinunter in die Dunkelheit.
Trotz des eisigen Regens hatte Von das Gefühl zu dampfen. »Mein Arm bringt mich um.«
Vons rechte Hand pulsierte heftig, gefangen in dem furchtbar straffen Knoten des nassen Lassos. Sie fühlte sich an wie eine Cartoonhand, geschwollen und pochend. Er holte mit dem linken Arm aus, um nach der Pistole zu greifen. Versuchte, den rechten Ellbogen zu beugen und sich mit einem Einarmklimmzug nach oben zu wuchten, aber er schaffte es nicht.
»Spar dir die Mühe«, meinte Kyle. »Davon werden bloß die Schmerzen schlimmer.«
»Leck mich, du Scheißkerl.«
Kyle spuckte auf den Boden. »Also, weißt du …« Er redete, als müsste er sich durch Sirup kämpfen. »Solche Beleidigungen mag ich gar nicht.«
»Schneid mich runter, oder ich schieß auf dich.«
»Okay.« Kyle streckte den Finger aus und stieß ihn Von in den Magen.
Von trat heftig nach ihm, und das Seil zog sich noch enger um sein klopfendes Handgelenk.
Kyle legte die ganze Hand auf Vons Bauch und schob. Fester diesmal. Von begann zu pendeln.
»Wo ist Haugen?«
»Keine Ahnung. Lass mich runter.«
»Wer ist bei ihm?«
»Niemand. Keine Ahnung. Eine Armee von Arschlöchern, die dich an diesem Baum aufknüpfen, wenn du mich nicht sofort runterholst.« Vons Arm war kurz vor dem Zerreißen. »Ich bring dich um.«
Was wollte Kyle eigentlich? War er sauer wegen des Unfalls? »Du solltest dir lieber die kleinen Scheißer von der Geburtstagsparty vornehmen«, knirschte Von. »Die sind doch schuld an dieser Schweinerei.«
Kyle schob ihn erneut an, aber immer so, dass er nicht zum Baumstamm hin baumelte, sondern parallel dazu. Oben knarrte der Ast.
Dann dämmerte Von, was der Kerl wollte. »Ich geb dir Geld. Lass mich runter, und du kriegst einen Anteil.«
»Neunzig Prozent«, entgegnete Kyle.
»Was? Nein.«
Wieder stieß ihn Kyle nach hinten. Das Seil schwang in großem Bogen. »Dann eben fünfundneunzig.«
»Bist du blöd?«
Von umklammerte die Pistole, obwohl seine Cartoonhand inzwischen wahrscheinlich pulsierte wie ein Polizeilicht, rot und riesig. Diesem Saukerl würde er das Gehirn rausblasen.
»Wann kommt Haugen hierher? Und wer ist außer Sabine bei ihm?«
»Du kriegst fünfundzwanzig Prozent von meinem Anteil«, ächzte Von. »Komm schon, Mann.«
»Wir sind immer noch bei fünfundneunzig. Haugen, Sabine, du, Friedrich – der leider wie ein zerquetschtes Sandwich neben dem Hummer liegt. Das reicht nicht, um sechs Collegestudenten in Schach zu halten. Wen hat Haugen noch dabei?«
»Niemand … Komm schon, Mann.« Von baumelte und spürte, wie die Zentrifugalkraft seine Füße nach außen zog. »Also gut, fünfunddreißig Prozent.«
»Das reicht jetzt.« Kyle packte Von um die Taille und unterbrach die Pendelbewegung. »Weißt du, wie viel Kraft man braucht, um jemandem die Schulter auszukugeln? So, dass das Gelenk ganz aus der Pfanne springt?«
»Was soll …«
»Weniger, als du denkst.«
Von keilte mit den Beinen und der linken Hand um sich. Aber Kyle steckte die Schläge einfach ein und schlang die Arme um Vons Schultern wie ein Filmstarlet, das sich für einen Kuss des Hauptdarstellers vorbeugt. Dann nahm er die Füße vom Boden. Sein Grinsen glitzerte im Mondschein wie die Grimasse eines Halloweenkürbisses.
U nten im Hummer hatten sie sich zusammengedrängt, um ihre Körperwärme zu teilen. Lark und Peyton unterhielten sich flüsternd, Noah atmete flach.
Plötzlich erstarrte Gabe. »Schsch.«
Die Mädchen blickten auf. »Was ist?«
Gabe hörte es. Weit weg, undeutlich, vom Wind übertönt. Trotzdem erkannte er das Geräusch, und ihm stellten sich die
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