Todesmut - Gardiner, M: Todesmut - N.N. (Jo Beckett 4)
mehr lang, dann hatte der Regen sie weggeschwemmt.
Vielleicht war das alles ohne Bedeutung. Vielleicht waren das einfach Abdrücke von Bergsteigern, die in der letzten Woche hier durchgekommen waren. Aber er bezweifelte es.
Schließlich trat er zur offenen Fahrertür des Tacoma. Als er ins Innere leuchtete, hielt er die Luft an. Eine schlechte Angewohnheit, auf die ihn schon sein Footballtrainer und der Sheriff hingewiesen hatten. Er atmete aus.
Niemand im Wagen. Aber auf der Beifahrerseite lag ein Rucksack.
Er machte eine Runde um den Pick-up. Dabei entdeckte er weitere Reifenspuren, eine lange parallele Kurve wie ein doppeltes Lächeln. Oder wie von einem Fahrzeug, das mit hoher Geschwindigkeit und rutschenden Hinterreifen aus der unbefestigten Lichtung geschossen war.
Dann ließ er den Lichtkegel über die Erde hinter dem Pick-up und in Richtung der hoch aufragenden Bäume am Berghang gleiten. Dampfend wand sich sein Atem durch den beißenden Regen.
Wieder bemerkte er auf der Forststraße das diamantene Flackern von sich nähernden Scheinwerfern. Dann hörte er den Motor.
Bei diesem Wetter waren das sicher keine Camper. Um diese Jahreszeit konnten es auch keine Spieler auf dem Weg nach Reno sein, denn die Straße über den Gipfel war bereits geschlossen. Zu so später Stunde war es am ehesten einer der wenigen Rancher, die hier oben lebten. Vielleicht war er schon früh am Tag aufgebrochen, um in Modesto oder Sonora Vorräte einzukaufen und zu essen, und war jetzt auf dem Heimweg. Möglicherweise war er also heute schon einmal an dieser Stelle vorbeigekommen. Falls ja, war ihm vielleicht was Wichtiges aufgefallen.
Gilbert steuerte auf die Straße zu.
Die Scheinwerfer schwenkten um die Kurve und tauchten die Bäume in einen weißen Bogen aus Licht. Der Motor klang ruhig und ausgeglichen. Und stark. Gilbert postierte sich am Straßenrand und winkte mit der Taschenlampe, um das Auto anzuhalten.
Ein schwarzer Volvo-Geländewagen, der im Regen glitzerte, schob sich hinter seinem Streifenwagen auf die Lichtung.
40
Sanft bremste Haugen den Volvo. Im Scheinwerferlicht sah er, wie sich ein junger Deputy Sheriff in seinen Streifenwagen beugte und kurz in sein Funkgerät sprach. Dann legte er schützend die Hände über die Augen und stapfte durch den Wolkenbruch heran.
Sabine war wie eine gespannte Feder. »Was will der von uns?«
»Informationen, schätze ich. Dieser Pick-up gehört wahrscheinlich den Bergwanderern, die uns heute bei der Operation dazwischengekommen sind.«
Von hinten meldete sich Stringer. »Ich wette jeden Betrag, dass du recht hast. Warum sollte sonst der Motor laufen?«
Eine überflüssige Bemerkung. Nicht zum ersten Mal bemerkte Haugen, wie schwer es war, Stringer davon abzuhalten, im falschen Moment mit irgendwelchen Dingen herauszuplatzen. Der Mann war mutig und zäh, aber leider auch dumm.
Er sah Stringer im Rückspiegel an. »Du hältst den Mund. Du bist Sabines Bruder. Wir sind unterwegs zu unserem Wochenende in einer Blockhütte in den Sierras. Ich führe das Gespräch.«
A my Tang lenkte ihr Auto – einen sportlichen Honda Civic mit Niederquerschnittsreifen und Chromfelgen, der offenbar ihr Privatwagen war – an den Randstein vor Ma Ratners Haus. Einen Augenblick schien Tang unschlüssig, ob sie das Fahrzeug unbewacht stehen lassen konnte. Sie schaltete die Stereoanlage aus, und Beyoncé schwieg.
Gemeinsam starrten sie auf das Haus, den Maschendrahtzaun mit den verlotterten Plastikwindrädern, den geborstenen Gehsteig, die schiefen Betonstufen vor der Tür und das trübe Eingangslicht.
»Du kannst sitzen bleiben«, meinte Tang.
»Damit dir Mrs. Ratners Köter nicht gegen die blitzblanken Radkappen pinkelt? Vergiss es.«
Als sie ausstiegen, wurden sie von schneidendem Wind empfangen. Solches Wetter und solche Stadtteile versteckte San Francisco, wenn es um die Gestaltung von Touristenprospekten ging.
Die Windräder knatterten ihnen entgegen. Das Tor öffnete sich quietschend. Durch die halb geschlossenen Vorhänge erkannte Evan blaues Fernsehlicht. Tang drückte auf die Klingel, und drinnen brach Gebell aus.
»Pawlows Ratte«, bemerkte Evan.
Tang hatte ihre Marke in der Hand. Das war das Erste, was Mrs. Ratner nach dem Öffnen erblickte.
Die Augen hinter der Cateye-Brille hatten die Farbe von trüben Murmeln und waren genauso kalt. »Und ich hatte mir schon was weniger Giftiges erhofft. Klärgas zum Beispiel.«
Hinter ihr hüpfte und kläffte der Hund. Pepito trug
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