Todesmut - Gardiner, M: Todesmut - N.N. (Jo Beckett 4)
mich nicht. Die sind irgendwo da draußen.«
»Und bald sind sie hier. Wir müssen abhauen.« Jo deutete auf den Fluss. »Schau.«
»Aber wo sollen wir denn hin?«
Verzweifelt wandte sich Jo zum Fluss. Allein in den wenigen Minuten, die sie gebraucht hatten, um aus dem Hummer zu kommen, war er weiter angeschwollen. Sie hatten keine Chance mehr, ihn zu überqueren und durch die andere Schluchtseite hinaufzuklettern zu der abgebrannten Ranch, von der aus eine Ausfahrt zu einer Straße führte. Sie saßen auf dieser Seite des Flusses fest. Und die föhrenbewachsene Felsenschlucht verwandelte sich von Minute zu Minute mehr in eine Wildwasserschleuse voller Stromschnellen und Geröll. Äste und Schlamm zogen an ihnen vorbei. Der Fluss war nur noch eine rohe Naturgewalt, die alles in den Tod riss, was sich ihr entgegenstellte.
Er stieg immer schneller. Schon klatschte er gegen die zerbrochenen Scheinwerfer der Limousine.
»Wir müssen höher rauf«, rief Jo. »Schnell.«
Ein Gedanke schoss ihr durch den müden Kopf, irgendetwas wegen der geografischen Lage der Schlucht, der Forststraße oben und dieses Waldabschnitts, aber sie brachte ihn nicht zusammen. Nicht, solange das Brüllen des Flusses immer lauter wurde.
Dennoch hatte sie eine Ahnung, ein Bauchgefühl, an dem sie sich orientierte. »Flussaufwärts. Wir müssen durch die Schlucht und weiter hinauf.«
Lark schüttelte den Kopf. »Tiefer in den Wald? Nein, dahin wollten sie uns doch bringen. Wir müssen zurück in die Zivilisation, und das ist flussabwärts!«
»Flussabwärts ist die Richtung, aus der die Gangster kommen. Wir müssen sie hinter uns lassen. Glaub mir.« Der verschwommene Gedanke nagte an ihr, aber noch immer bekam sie ihn nicht zu fassen. »Los.«
Mit zitternden Beinen und kältestarren Fingern band sie das Pferd los. Autumn und Lark hakten die Arme ineinander, um eine Stütze zu bilden.
Gabe wandte sich an Noah. »Schaffst du das?«
»Los«, antwortete Noah.
»Bloß nicht schreien, Kumpel.«
Jo und Gabe hoben Noah in die Arme der beiden jungen Frauen. Ächzend standen sie auf. Mit wackeligen Schritten trugen sie Noah zu Faithful. Noah keuchte durch zusammengebissene Zähne, um nicht vor Schmerz zu schreien. Der flackernde Mondschein, der durch die spärlichen Wolken fiel, tauchte sein Gesicht in gespenstisches Weiß.
Jo setzte Noahs unverletztes Bein in den Steigbügel, und Gabe schob ihn hoch. Noah richtete sich auf und fiel fast über den Sattel. Vorsichtig zog Gabe das gebrochene Bein auf die andere Seite. Mit letzter Kraft umklammerte Noah den Sattelknauf. Er war kurz davor, ohnmächtig zu werden.
Schließlich saß er im Sattel. »Bin so weit.«
Das war eine Übertreibung. Aber immerhin war er nicht abgerutscht.
Gabe schaute Autumn und Lark an. »Eine von euch muss hinter ihm aufsteigen und ihn festhalten.«
»Ich war noch nie auf einem Pferd«, sagte Lark.
Autumn legte Lark die Hand auf den Arm. »Du reitest. Ich kann Faithful führen.«
Lark sträubte sich nicht. Unbeholfen stieg sie auf und schwang sich hinter den Sattel auf die Kruppe des Pferdes. Autumn nahm die Zügel. »Wohin?«
Jo spürte alle Blicke auf sich. »Wir gehen flussaufwärts, bis wir eine Stelle finden, von der aus wir sicher hinaufklettern können. Wenn wir die Schlucht hinter uns haben, überqueren wir die Forststraße und steigen auf der anderen Seite hinunter.«
Gabe hatte die Notvorräte in Kyles schwarze Sporttasche gestopft und hängte sie sich nun wie einen Rucksack über die Schultern, vorsichtig, um seine Risswunde über den Rippen zu schonen. Das Jagdmesser und die Lenkradsperre hatte er ebenfalls dabei. Die anderen schnappten sich jeweils einen geschnitzten Speer. Dann zogen sie am felsigen Ufer los, gegen die Richtung des rauschenden Wassers.
Jo beugte sich zu Autumns Ohr. »Wie gut sieht Lark ohne ihre Brille?«
»Schlecht. Sie hat Makuladegeneration.«
Jo schnürte es die Brust zusammen. Das war eine schlimme Nachricht. »Sieht sie zentral überhaupt noch was?«
»Nur verschwommen. Und in der Nacht praktisch gar nichts.« Autumn spähte unter ihrer Marines-Mütze hervor. »Sag lieber nichts. Sie will keine Hilfe. Und Mitleid erst recht nicht.«
Jo nickte. »Du bist eine gute Freundin.«
Autumn sah sie seltsam an. Sie wirkte verwirrt.
»Alles okay?«, fragte Jo.
»Es … meinst du wirklich?«
Gabes Blick glitt über den Fluss und den Berghang. Wort los winkte er sie voran. Über rutschig nassen Stein und schlammige Erde begannen
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