Todesmut - Gardiner, M: Todesmut - N.N. (Jo Beckett 4)
das unebene Gelände bewegte. Sie schaute zurück. Der Hummer lag höchstens einen halben Kilometer hinter ihnen.
»Lark? Noah? Wie geht es euch?«
»Geht schon«, antwortete Lark.
Noah hob matt den Daumen. Im schwachen Schein der Sterne glänzten seine Augen vor Schmerz.
Seine Schussverletzung blutete nicht mehr, und seine Vital zeichen waren erstaunlich gut. Das gebrochene Bein musste ihm Qualen bereiten, aber er machte keinen Mucks. Noch hielt er durch, weil er jung und stark war, aber egal, wie viel Mumm er hatte, irgendwann war sein Akku leer.
»Es ist so kalt«, hauchte Peyton.
»Damit musst du klarkommen«, entgegnete Autumn.
Wieder rieb sich Peyton über das Handgelenk.
Jo verlangsamte ihr Tempo, bis Autumn sie eingeholt hatte. »Kannst du mir mal was erklären? Was war eigentlich der Sinn von diesem Gangsterspiel?«
»Abenteuer. Mein Dad meint, an solchen Wochenenden macht man Erfahrungen wie sonst nie.« Ihr Blick strich durch den Wald. »Und er hat recht.«
»Warum nicht so was wie Outward Bound? Wieso eine Gangsterspritztour?«
»Dad hat das Ganze für mich geplant. Er dachte, ich wachse da irgendwie hinein.«
Jo schluckte das Wort Wahnsinn hinunter, das ihr auf der Zunge lag. »Und du hast dich für die Rolle der Syndikatskönigin entschieden?«
»Es war ja meine Party.«
Jo zog eine Augenbraue hoch. »Verbrecherboss war also die naheliegende Wahl für dich?«
Autumn zögerte. »Du meinst, warum ich nicht FBI -Agentin spielen wollte?«
»Fühlst du dich wie eine Gesetzlose?«
»Überhaupt nicht. Ich …« Stirnrunzelnd suchte sie nach den richtigen Worten. Oder vielleicht nach den richtigen Gefühlen. »Ich bin die perfekte Tochter, weißt du. Die Ballerina, die sich in der Spieldose dreht.« Sie machte eine Pause. »Und auf meinem Rücken steht dick und fett: verwöhnt .«
»Was war deine Aufgabe bei dem Wochenende?«
»Aus dem Gefängnis ausbrechen und fliehen.«
Das Pferd warf den Kopf zurück und machte einen torkelnden Schritt, ehe es zwischen den Steinen wieder Halt fand. Autumn strich ihm beschwichtigend über die Nüstern und ging weiter.
Jo überlegte, dass man die Worte des Mädchens auch ganz anders deuten konnte. »Und was sollte am Ende passieren?«
»Ich kriege alles. Am Schluss bin ich in Haft, aber die FBI -Agenten laufen zu mir über, weil ich sie besteche. Dann feiern wir gemeinsam.« Sie schaute auf den Boden. »Ziemlich doof, was?«
Jo wollte gar nicht damit anfangen, Autumns Grenzprobleme zu katalogisieren. Ihr innerer Zwiespalt war fast mit Händen zu greifen: das Bedürfnis, an die Hand genommen zu werden und feste Leitlinien vorgesetzt zu bekommen – nur um sich endlich zu befreien. Eigentlich wollte Autumn vor allem ihren Dad in ihrem Team.
Der Hengst stockte auf dem Hang und peitschte mit dem Schwanz. Jo spähte über die Schulter, um sich zu vergewissern, dass Peyton dem Pferd nicht zu nahe gekommen war.
Sie sah nur Bäume und Dunkelheit. »Wo ist Peyton?«
Lark drehte sich im Sattel.
Auch Autumn blickte zurück. »Gerade war sie doch noch hier.«
Im Bühnenflüsterton zischte Lark: »Peyton?«
Keine Antwort.
Jo versuchte, in der brodelnden Finsternis etwas zu erkennen. Nichts. Autumn hielt Faithfuls Zügel fest. Lark neigte den Kopf und lauschte angestrengt, um vielleicht ein Geräusch aufzuschnappen, das nicht vom Nachtwind verursacht wurde.
Autumns Stimme klang resigniert. »Sie will zurück zum Hummer.«
Lark nickte. »Ja.«
Jo ließ die Schultern sinken. »Verdammt.« Das Tosen des Flusses war wie ein Sumpf, der jedes Geräusch verschlang. »Ich laufe ihr nach.«
Gabe wandte sich um. »Wir gehen beide.« Seine Stimme war hart. Er winkte Autumn zu. »Führ das Pferd hierher.«
Sie marschierten noch ungefähr fünfzig Meter am Ufer entlang, bis sie hinter einem Felsbrocken Schutz fanden. Autumn schlotterte vor Kälte. Lark und Noah weniger – der Hengst war das wärmste Lebewesen im Wald.
»Bleibt hier«, sagte Gabe. »Und haltet euch ruhig. Wir sind bald wieder da.«
Voller Anspannung schlugen er und Jo den Rückweg ein. Jos Hände schmerzten vor Kälte. Gabe bewegte sich mit gewandten Schritten durch die Nacht und trat behutsam auf, um nicht zu stürzen, wenn er gegen einen Stein oder eine Wurzel stieß.
»Sie kann noch nicht so weit sein«, meinte Jo.
»Nein. Aber es ist trotzdem schlecht, dass wir so viel Zeit verlieren.«
P eyton hatte die Arme um den Oberkörper geschlungen. Der Wind peitschte ihr das Haar um den Kopf. Sie
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