Todesnacht - Booth, S: Todesnacht - Scared to Live
Häusern schliefen inzwischen, bis auf diejenigen, die allein schliefen und Angst vor dem hatten, was draußen in der Dunkelheit lauern mochte, und auf die Einbrecher und die Vergewaltiger und die wahnsinnigen Holzfäller.
»Du weißt, was du zu tun hast, Johnny.«
26
Freitag, 28. Oktober
F ry kam früh zur Einsatzbesprechung am nächsten Morgen. Der Raum füllte sich, doch sie schenkte dem zunehmenden Geräuschpegel keine Beachtung. Als Cooper eintraf, wirkte er verschlafen und war zerzaust, als sei er gerade erst aufgestanden. Das Haar fiel ihm unordentlich in die Stirn, an seinem Jackett befand sich eine abgewetzte Stelle, und seine Krawatte hätte wie üblich einer Korrektur bedurft. Ein gewisses Maß an Lässigkeit war in Ordnung, doch Cooper wirkte fast schon ein wenig schlampig. Sie hatte das Bedürfnis, ihm zu sagen, dass er sich zurechtmachen solle, bevor er unter die Leute ging. Vor allem aber konnte sie nicht umhin, über den Kontrast zwischen Cooper und Georgi Kotsev nachzudenken.
Der Divisionsleiter Chief Superintendent Jepson war gekommen, um Sergeant Kotsev persönlich zu begrüßen.
»Ich habe Captain Pirinski eine E-Mail geschrieben und mich dafür bedankt, dass er uns Ihre Dienste zur Verfügung stellt, Sergeant. Das beweist, dass die bulgarischen Behörden eine äußerst positive Einstellung haben.«
Kotsev schüttelte ihm die Hand. »Vielen Dank, Sir.«
»Ich bin sehr froh, dass Sie gekommen sind. Es ist unglaublich hilfreich, einen Übersetzer zu haben – von Ihrer Erfahrung auf dem Gebiet der internationalen organisierten Kriminalität ganz zu schweigen.«
»Ich freue mich, Ihnen helfen zu können.«
Der Chief Superintendent legte Detective Chief Inspector Kessen die Hand auf die Schulter und nahm ihn beiseite.
»Die Special Branch und die C-Division übernehmen den Zhivko-Sprengstoffanschlag. Schließlich ist das ihr Bier. Aber sie werden mit uns zusammenarbeiten, falls irgendwelche Verbindungen mit Rose Shepherd oder Simon Nichols bestehen.«
»Ausgezeichnet, Sir.«
»Das ist die beste Lösung, Oliver.«
»Ja, ich weiß.«
Als Kotsev bei der Besprechung das Wort ergriff, erwies er sich als hervorragender Redner und zeigte keinerlei Nervosität. Er hatte offensichtlich Erfahrung mit Vorträgen, und sein annähernd perfektes Englisch sowie seine smarte Erscheinung sicherten ihm die Aufmerksamkeit aller, sogar die von dieser abgestumpften Zuhörerschaft.
»Zunächst ein paar Hintergrundinformationen«, sagte er. »Ich habe mir von Ihrer Kollegin Sergeant Fry sagen lassen, dass nicht alle von Ihnen Experten in bulgarischer Geschichte sind.«
Hinter ihm lachte der Chief Superintendent, und es hatte beinahe den Anschein, als stupste er Kessen an, damit dieser sich zusammen mit ihm amüsierte.
»Das organisierte Verbrechen floriert in Bulgarien seit fünfzehn Jahren, und sein Einfluss ist in allen gesellschaftlichen Bereichen zu spüren. Leider war der Staatsapparat bislang zu schwach, um dieses Problem in den Griff zu bekommen. Und vermutlich auch zu korrupt. Doch das ist inzwischen anders. Heutzutage ist Korruptionsbekämpfung ein Schlagwort in unseren Ministerien.«
Kotsev legte eine Pause ein und blickte sich im Raum um. Fry fragte sich, ob er schon wieder einen Scherz gemacht hatte. Falls ja, hatte ihn diesmal nicht einmal der Chief Superintendent verstanden.
»Sprechen Sie von einer Art Mafia, Sergeant?«, erkundigte sich jemand.
»Eine Art Mafia, ja. Allerdings werden unsere organisierten Banden immer raffinierter und spezialisieren sich auf bestimmte Bereiche. Bulgarische Kriminelle beliefern nicht nur den internationalen Sexmarkt mit Frauen, sie sind auch überaus geschickt im Fälschen von Banknoten, Kreditkarten und Ausweispapieren. Angeblich machen ihre Geschäfte ein Drittel der gesamten bulgarischen Volkswirtschaft aus. Sie kontrollieren den Tourismus an der Schwarzmeerküste, die Häfen, die Baubranche und die Landwirtschaft. Sie streben nach Macht, und ihr Einfluss ist äußerst weitreichend. Doch die jüngsten Bemühungen unserer Behörden haben diese Kriminellen unter Druck gesetzt und für Wettbewerb auf einem schrumpfenden Markt gesorgt. Aus diesem Grund geschehen zurzeit so viele Morde – sie kämpfen darum, ihren Einfluss zu bewahren.«
Kotsev sprach ein paar Minuten lang weiter und umriss die Probleme, die er Fry am Vorabend erklärt hatte, allerdings weniger detailliert. Die alarmierenderen Möglichkeiten überging er dabei. Während Fry ihm
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