Todesnacht - Booth, S: Todesnacht - Scared to Live
doppelläufige Schrotflinten unter dem Arm.
»Und?«, sagte Kotsev. »Laufen wir jetzt davon?«
Als Cooper wieder das Büro in der West Street betrat, knallte Fry den Telefonhörer auf die Gabel und starrte ihn zornig an. »Das habe ich jetzt davon, dass ich Brian Mullen nicht im Auge behalten habe. Ich habe ihn wissen lassen, dass er unter Verdacht steht, und habe ihm dann die Gelegenheit gegeben, sich aus dem Staub zu machen. Ich hätte die Anklage gegen ihn fertigstellen sollen, damit wir ihn verhaften können. Aber ich habe mich ablenken lassen. Die ganze Aufmerksamkeit richtet sich auf die Rose-Shepherd-Untersuchung. Wie soll man sich bitte auf zwei Jobs gleichzeitig konzentrieren und trotzdem beide ordentlich machen?«
Fry hielt inne und sah Cooper an. Er antwortete ihr nicht, doch das erwartete sie auch nicht von ihm. Er war nur da, damit sie jemanden hatte, an dem sie sich abreagieren konnte. Glücklicherweise war er darin gut.
»Was ist passiert, Diane?«
»Ich muss mich noch mal mit Brian Mullen unterhalten«, sagte sie. »Er sollte eigentlich bei seinen Schwiegereltern in Darley Dale sein, aber die behaupten, sie wüssten nicht, wo er heute ist. Und er hat Luanne bei sich.«
»Das sind schlechte Neuigkeiten.«
»Schlechte Neuigkeiten? Das ist eine totale Katastrophe. Ich schickte Gavin los, damit er mit John Lowther spricht und mit allen anderen, die wissen könnten, wo Mullen ist. Aber ich habe das ungute Gefühl, dass er das Weite gesucht hat.«
»Glaubst du immer noch, dass Mullen für die Brandstiftung verantwortlich ist? Was könnte er für ein Motiv gehabt haben?«
»Er und Lindsay hatten heftige Auseinandersetzungen. Angeblich haben sich die beiden sogar angebrüllt. Ihr Nachbar Keith Wade hat sie an jenem Abend miteinander streiten hören. Die Eltern zeigen sich zugeknöpft, was das betrifft, deshalb weiß ich nicht, wie ernst ihre Eheprobleme waren, aber womöglich standen sie kurz vor der Trennung. Vielleicht hat
Lindsay gedroht, Brian zu verlassen, und ihm gesagt, dass sie die Kinder mitnimmt. Das hätte ihm bestimmt ziemlich zugesetzt.«
»Oh, und dann hat er sie alle umgebracht?«
»So was kommt vor, weißt du – ein verzweifelter Vater beschließt, allem ein Ende zu setzen und seine Familie mit in den Tod zu reißen.«
»Aber das hat Brian Mullen doch nicht gemacht, oder? Er ist schließlich noch am Leben.«
»Tja, vielleicht hat er in letzter Minute gekniffen. Als er die Flammen gesehen und die Hitze gespürt hat und ihm klar geworden ist, was er da eigentlich tut.«
»Ich nehme an, das wäre eine Möglichkeit.«
»Du klingst aber, als hättest du Zweifel. Sag mal, du hast doch immer eine eigene Theorie, die nicht zu dem passt, was alle anderen denken. Teilst du sie mir mit, Ben?«
Cooper schüttelte den Kopf. »Ich habe keine Theorie. Es ist nur so, dass...«
»Ja?«
»Na ja, wenn es wirklich so war, wie du sagst, würde ich erwarten, dass Mr. Mullen von Schuldgefühlen verzehrt werden würde. Er würde denken, dass er mit seiner Familie in den Flammen hätte sterben sollen, und sich vorhalten, dass er feige war und die Sache nicht durchgezogen hat.«
»Das würde seine derzeitige Verfassung erklären, oder etwa nicht?«
»Nein, das glaube ich nicht, Diane. Es passt einfach nicht.«
Doch Fry hörte ihm gar nicht mehr zu. Sie starrte das Foto der Familie Mullen an – Lindsay und die beiden Jungen, Brian mit dem Baby Luanne in den Armen. Drei von ihnen waren tot, zwei hatten überlebt. Doch das war es nicht, worum sich ihre Gedanken drehten. Die Worte, die ihr nicht aus dem Kopf gingen, waren andere – ein Satz, den sie vor langer Zeit auf dem Spielplatz gelernt hatte.
Drei weg, zwei bleiben .
Fry konnte beinahe Kinderstimmen in der Ferne singen hören, in halb triumphierendem, halb herausforderndem Tonfall. Sie fassten das Gefühl zusammen, eine Aufgabe zur Hälfte erledigt zu haben und entschlossen zu sein, sie zu vollenden.
Drei weg, zwei bleiben .
Die Worte vermittelten ihr mit einem Mal ein Gefühl von Dringlichkeit, und in ihr machte sich die Überzeugung breit, dass sich womöglich vor ihrer Nase eine schreckliche Katastrophe ereignete, während sie sich von irgendeinem belanglosen Detail ablenken ließ.
»Weißt du, was, Ben?«, sagte sie. »Ich wette, Brian Mullen denkt gerade nur an eines: Dass er die Sache so schnell wie möglich zu Ende bringen sollte.«
Natürlich war es möglich, dass die Lowthers gelogen hatten, indem sie behaupteten, sie
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