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Todesnacht - Booth, S: Todesnacht - Scared to Live

Titel: Todesnacht - Booth, S: Todesnacht - Scared to Live Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen Booth
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erregt hatte. Es war das sprichwörtliche winzige Sandkorn im Getriebe, eine Unebenheit am Erwartungshorizont. An sich unbedeutend, aber dennoch...
    Als Fry in das Gesicht des Kindes starrte, wurde ihr plötzlich
bewusst, wie außerordentlich hübsch Luanne Mullen war. Sie war keine von den Frauen, die jedes Mal vor Rührung zerflossen, wenn sie einen wenig ansprechenden Säugling mit Hängebacken wie Winston Churchill zu Gesicht bekamen. Ganz und gar nicht. Die meisten Babys waren hässlich wie die Nacht, außer für die armen unbedarften Eltern, die die Realität vor ihren Augen nicht wahrhaben wollten, weil ihr Blick von Verwunderung und Erschöpfung getrübt war. Aber bei Luanne war es etwas anderes. So hatte Churchill nie ausgesehen. Luanne Mullen war das hübscheste Kind, das sie je gesehen hatte.
    Dann fiel Fry der Kontrast zwischen Luanne und ihrem Vater auf. Nicht dass Brian abstoßend ausgesehen hätte, doch er hatte helles Haar, und sein Gesicht war kantig und blass. Luanne dagegen hatte schwarzes Haar – und zwar so schwarz, dass es bei einem Kind in ihrem Alter beinahe erschreckend wirkte. Ihre Augen waren ebenfalls dunkel wie kleine Pfützen schwarzer Tinte.
    Und da war noch eine Sache: Die Haut des Kindes war zweifellos um einige Schattierungen mediterraner als Brians englische Blässe. Und wie sah es mit der Mutter aus? Tja, da war sie – mit blondem Haar, das an den Wurzeln hellbraun war. Und mit grünen Augen.
    Natürlich war es durchaus möglich, dass das Paar ein Kind zur Welt gebracht hatte, das so aussah. Die Engländer von heute waren schließlich keine reinrassigen Angelsachsen mehr. Sie waren ein Mischvolk aus Kelten und Wikingern, Angelsachsen und Normannen sowie exotischeren Neuankömmlingen. Im Nordwesten Englands hatte fast jeder den einen oder anderen irischen Einwanderer in seinem Familienstammbaum. Womöglich waren bei der Zeugung dieses Kindes einfach die Gene irgendeines gälischen oder hugenottischen Vorfahren aufgewirbelt worden. Ihr Aussehen konnte allerdings auch von einem Einfluss aus jüngerer Vergangenheit herrühren
– von einem Großvater, der ein jüdischer Flüchtling war oder ein Einwanderer aus dem Mittleren Osten.
    Ja, alle diese Möglichkeiten waren vorstellbar. Doch keine von ihnen war der erste Gedanke, der Fry kam, wenn sie Luanne Mullen ansah.

29
     
     
     
     
    A ls Fry an diesem Nachmittag auf die A6 hinunterblickte, wusste sie nicht, was sie erwarten sollte. Eine Kutsche, vor die vier graue Pferde gespannt waren, oder zwei Pferde, die einen Landauer zogen. Vielleicht aber auch Dick Turpin auf Black Bess. Wer wusste schon, was in dieser Gegend los war?
    Sie ging am Auto der Lowthers vorbei, das in der Einfahrt geparkt war. Ein blitzblanker weißer Rover. Da er allerdings schon ein paar Jahre alt war, wurde es vermutlich Zeit, dass sich Mr. Lowther einen neuen Wagen kaufte.
    Als Fry im Wintergarten der Lowthers saß, nahm sie das Foto von Brian, Lindsay und ihren drei Kindern vom Ecktisch. Kein Auf-Samtpfoten-Schleichen mehr. Nicht mehr in diesem Stadium.
    »Luanne ist ein sehr hübsches Kind, Mrs. Lowther«, sagte sie.
    »Ja, nicht wahr?«
    »Sie sieht ihren Eltern allerdings kein bisschen ähnlich. Ihr Teint ist sehr dunkel.«
    »Das kommt vor. Gene sind unberechenbar.«
    »Ich weiß, was Sie meinen«, sagte Fry. »Aber in diesem Fall kann man es nicht auf die Gene schieben, oder? Ist Luanne wirklich das Kind Ihrer Tochter?«
    Henry Lowther hatte sich bislang völlig teilnahmslos verhalten und versucht, höflich zu lächeln, was ihm allerdings nicht ganz gelungen war. Mrs. Lowther zappelte herum und sträubte sich zu antworten. Fry war jedoch bereit zu warten.

    »Nein, sie ist adoptiert«, sagte Mrs. Lowther schließlich.
    »Na endlich«, erwiderte Fry. »Und bei dieser Adoption haben Sie Rose Shepherd kennengelernt, habe ich recht?«
    »Ja, das stimmt.«
    »Und das Treffen am Samstag in Matlock Bath? Wessen Idee war das?«
    Die Lowthers sahen sich an. »Ich glaube, ich habe es Lindsay vorgeschlagen«, sagte Henry. »Das war wirklich nur eine beiläufige Bemerkung. ›Es wäre doch nett, Rose Shepherd wiederzusehen und sich bei ihr zu bedanken, oder?‹ Irgendwas in der Art. Das ist Wochen her. Und Lindsay hat damals gar nichts dazu gesagt. Aber die Idee muss sich in ihrem Kopf festgesetzt haben, da sie ein paar Tage später davon gesprochen hat, ein Treffen zu organisieren, als wäre das bereits ein Fait accompli .«
    Mr. Lowthers selbstbewusster Gebrauch

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