Todesnacht - Booth, S: Todesnacht - Scared to Live
Aussicht darauf, noch zwanzig oder dreißig Jahre so weiterzuleben, wobei sich ihre selbst auferlegte Isolation von Tag zu Tag schwieriger hätte aufrechterhalten lassen. Ich persönlich denke, dass Rose Shepherd ihr Schicksal womöglich sogar willkommen geheißen hat, als es nahte.«
Cooper starrte sie an, da ihn ihr plötzlicher Ausbruch von Mitgefühl überraschte. Fry stand neben dem Kleintransporter, eine zarte Gestalt, die kaum genug Platz einnahm, um Regentropfen abzubekommen.
Doch Cooper war sich nicht sicher, ob er dem, was sie soeben gesagt hatte, zustimmen sollte. Er war nicht davon überzeugt, dass Rose Shepherd ihren Tod willkommen geheißen hatte. Menschen wie sie glaubten oft, sie könnten zu einem normalen Leben zurückkehren, nachdem sich der aufgewirbelte Staub wieder gelegt hatte, ihre Verbrechen vergeben oder vergessen waren und sie ihre Vergangenheit weit hinter sich gelassen hatten.
Doch Staub hatte die Angewohnheit, Spuren erkennen zu lassen, wenn er zu lange unberührt blieb. Und wie der Staub, der sich im Rauchmelder der Mullens angesammelt hatte, konnte er auch nahende Gefahr verbergen, wenn sie plötzlich in der Nacht emporloderte.
»Diane, es gibt noch eine weitere Möglichkeit, die Miss Shepherd in Erwägung gezogen haben könnte«, sagte Cooper.
»Und welche ist das, Ben?«
»Ich frage mich, ob sie vielleicht gedacht hat, sie hätte einen Rettungsanker gefunden. Möglicherweise hat sie mit jemandem Kontakt aufgenommen, von dem sie glaubte, sie könnte ihn erpressen.«
»Was?«
Cooper sah ihren skeptischen Blick und begann seinen Gedankengang noch einmal von vorn. »Ich habe mich nach der
Waffe erkundigt. Nach dem halbautomatischen Gewehr aus Rumänien, erinnerst du dich?«
»Ja.«
»Nun, abgesehen von dem militärischen Heckenschützengewehr gibt es für den Export noch eine Sportversion der PSL, die Romak-3. Sie sieht sehr ähnlich aus, besitzt aber keine Bajonett-Haltevorrichtung und verfügt über ein paar andere Modifikationen, um den US-amerikanischen Einfuhrbestimmungen zu entsprechen.«
»Eine Sportversion? Meinst du damit ein Jagdgewehr?«
»Ja. Ein Jagdgewehr.«
Fry neigte den Kopf leicht zur Seite, als sie ihn ansah. »Woran denkst du, Ben?«
Er lächelte über das Echo der Worte, die Liz zuvor benutzt hatte. Liz hatte bereits gewusst, woran er dachte, bevor er es ihr gesagt hatte. Sie hatte es gewusst, obwohl er es abgestritten hatte. Doch Fry war anders – sie wollte es gesagt bekommen. Sie wollte hören, wie er es ihr erklärte. Mit ihr verstand er sich auf einer ganz anderen Ebene.
»Ich habe mir noch mal die Tonbandaufzeichnung von John Lowthers Befragung angehört«, sagte er. »Erinnerst du dich noch an seinen Satz, in dem es ums Jagen ging? Er hat gesagt, manche Leute machen ›Jagd auf Huren. Nein, auf Babys... ‹<
»Ja, ich erinnere mich.«
»Ich frage mich, ob das ein Beispiel für das gewesen sein könnte, was Dr. Sinclair als ›Klangassoziation‹ bezeichnet hat – das Verwechseln von Wörtern, die ähnlich klingen oder denselben Anfangsbuchstaben haben. Mich würde interessieren, ob er gemeint hat, dass manche Leute Jagd auf Keiler machen, auf boars , nicht auf Huren, whores .«
»Keiler?«
»Wildschweine. In manchen Teilen der Welt werden die noch gejagt. In Bulgarien, zum Beispiel.«
»Und?«
»Da wäre noch etwas. Als Henry Lowther diese Geschäftsreise nach Bulgarien gemacht hat, ging es nicht nur um Wodka und Rotwein. Seine Geschäftspartner haben ihn zur Wildschweinjagd mitgenommen.«
»Woher weißt du das?«
»Du hast ihn gefragt, wo er war, und er hat den Namen eines Ortes gesagt: Dounav. Das war ein Fehler von ihm, aber ich nehme an, ihm ist aus dem Stehgreif nichts anderes in Bulgarien eingefallen. Manche Lügen muss man eben vorher planen.«
»Was stimmt denn nicht mit Dounav?«
»Ich habe es nachgeschlagen«, sagte Cooper. »Dounav ist ein staatliches Wildhegegebiet im Norden von Bulgarien. Eine der Jagdgegenden dort wird wegen ihrer riesigen Wälder der ›bulgarische Dschungel‹ genannt. Jäger schießen dort Rotwild, Füchse und gelegentlich sogar Wölfe. Aber in erster Linie Wildschweine.«
Fry wischte sich mit dem Handrücken ein paar Regentropfen von der Stirn und ging weiter zu ihrem Wagen. »Okay. Und …?«
»Na ja, wie macht man Jagd auf Keiler?«, sagte Cooper. »Das sind große Tiere. Ich bezweifle, dass man dazu Pfeil und Bogen nehmen würde.«
Fry blieb wie angewurzelt stehen. »Man würde ein Jagdgewehr
Weitere Kostenlose Bücher