Todesnacht: Island-Thriller (German Edition)
stand er natürlich unter Verdacht. Jökull kannte Elías nicht so gut.«
»Warum haben sie das gemacht?«
Móna nahm sich zusammen und sagte: »Elías kam an dem Abend, bevor er starb, hierher. Spätabends. Ich habe diesen verdammten Schuft reingelassen. Er wollte mit Logi sprechen. Der hat meinem Mann dann von dem Gespräch erzählt. Elías hatte irgendwelche dubiosen Pläne. Er hat behauptet, er bekäme Geld dafür, Ausländer, genau genommen ausländische Frauen, nach Europa zu bringen. Dort hätten sie dann die Chance, ein neues Leben zu beginnen. Ein neues Leben!« In ihrer Stimme lag Verachtung.
»Elías wollte, dass Logi dabei mitmachte. Ich war total geschockt, Elías an diesem Abend wiederzusehen. Es war lange her, seit ich ihn das letzte Mal getroffen hatte. Ich ging ins Schlafzimmer und heulte. Jökull wollte wissen, was los ist, aber ich wollte es ihm nicht sagen. Eigentlich wollte ich es ihm niemals erzählen, aber ich konnte einfach nicht anders.«
Ísrún lauschte wie erstarrt. Sie sagte nichts und ließ Móna einfach reden.
»Am Ende habe ich Jökull alles erzählt. Da ist er durchgedreht. Jökull ist sonst immer ganz gelassen, aber er war rasend vor Wut.« Sie seufzte und schloss die Augen. »Er rief nach Logi und beschimpfte ihn, weil er uns mit diesem miesen Schwein bekannt gemacht hatte«, sagte sie aufgebracht. »Als Logi schließlich hörte, was passiert war, wurde er genauso wütend wie Jökull. Das zahlen wir ihm heim, sagte er.«
Dann fügte sie erklärend hinzu: »Logi ist viel hitzköpfiger als Jökull. Bevor ich wusste, wie mir geschah, waren die beiden weg. Auf dem Weg in den Skagafjörður. Mein Gott, wie sehr ich es bereue, Jökull davon erzählt zu haben. Gütiger Gott!«
Móna schluchzte auf.
Ísrún hätte die nächste Frage gar nicht mehr stellen müssen, denn sie glaubte, die Antwort zu kennen.
»Hat Elías Sie vergewaltigt?«
Móna antwortete unter Schluchzen: »Ja. Woher wussten Sie das?«
»Sie sind nicht sein erstes Opfer. Wann ist es passiert?«
Móna sprach leise und machte lange Pausen zwischen den Sätzen: »Kurz vor Silvester. Mitten am helllichten Tag. Ich hatte mein Handy vergessen und kam mittags nach Hause, um es zu holen. Elías wohnte bei Logi, im ersten Stock. Die Wohnungen sind nicht abgetrennt, im Grunde ist es ein großer Wohnbereich. Logi hatte Schicht, und Jökull war auf der Arbeit. Ich konnte mich nicht wehren. Ich habe versucht zu schreien und um mich zu schlagen, aber er war zu stark. Als hätte er das schon öfter gemacht.«
Wieder durchfuhr Ísrún ein Schauer.
»Danach stand ich unter Schock«, sagte Móna. »Ich habe es niemandem erzählt, ich weiß nicht warum. Ich konnte einfach nicht darüber reden. Immerhin war er so schlau, sofort auszuziehen.«
Ísrún zögerte, stellte aber dann die Frage, die in der Luft lag: »Ist das Kind von ihm?«
Móna antwortete nicht sofort.
»Ja, ich bin mir ziemlich sicher«, murmelte sie schließlich, immer noch weinend. »Jökull und ich haben so lange versucht, ein Kind zu bekommen, ohne Erfolg. Und jetzt trage ich das Kind eines Vergewaltigers im Bauch. Ich schwöre, dass ich Jökull niemals davon erzählen wollte. Niemals! Er war so froh, dass es endlich geklappt hatte, als ich schwanger wurde. Sie können sich jetzt vorstellen, warum die beiden so ausgerastet sind.«
»Das verstehe ich gut. Das verdammte Schwein hatte es verdient zu sterben, das war überfällig«, stieß Ísrún wütend hervor.
»Ja. Er war der Teufel in Menschengestalt, aber sie wollten ihn nicht töten.«
»Natürlich nicht.« Ísrún versuchte ruhig zu bleiben, obwohl sie ziemlich aufgewühlt war.
»Logi hat ihn erschlagen«, sagte Móna nach einer Weile. »Jökull hat mir erzählt, was passiert ist. Elías hat die Vergewaltigung zugegeben, und Logi hat ihn einfach nur gefragt, warum er mir das angetan hätte. Als er die Antwort hörte, packte er ohne nachzudenken das Brett und erschlug ihn.« Ihre mit Schluchzern unterbrochenen Worte waren kaum verständlich.
»Was hat Elías geantwortet?«, fragte Ísrún entgegen besseren Wissens, war wieder einmal unbewusst in die Rolle der Reporterin geschlüpft.
»Weil es in meiner Macht lag.«
18 . Kapitel
Weil es in meiner Macht lag.
Ísrún lief ein kalter Schauer über den Rücken – und gleichzeitig machte sich ihr schlechtes Gewissen bemerkbar. Trug sie nicht eine gewisse Verantwortung dafür, wie es gekommen war?
Die Frauen schwiegen eine Weile.
Dann fragte Móna
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